„Das Schicksal ist ein brutaler Mörder.“ Seite 155
In ihren Stories „Seitenblicke„ gewährt die Autorin Maiken Brathe mit hauchfeinem Humor Einblicke in die Abgründe des Lebens.
Wer an Winterblues leidet, sollte diese Geschichten um Einsamkeit , Enttäuschung und Tod vielleicht lieber an sonnigen Tagen lesen, denn sie setzen dem Gemüt zu. Und das können diese Erzählungen, weil sie einfach gut in Moll komponiert sind.
In der Erzählung „Vorsicht Feind“ erfahren wir von dem Mann, der von seiner Frau gelebt wird und täglich über Instagram erfährt, wie glücklich er doch ist. Beim Lesen dieser Geschichte zog mir Udo Jürgens Hit „Ich war noch niemals in New York“ durch’s Hirn, hoffend, dass dem Mann die Flucht aus seinem Reihenhausidyll in Greige, einer Mischung aus Grau und Beige, gelingt.
Oder die Story von Ödön und der Frau am Fenster, der er sich verbunden fühlt. Die ihn aber nie ansieht. Die Tragik der Geschichte findet in der finalen Unausweichlichkeit einer Fremdbestimmung seinen Höhepunkt.
Die „Leberwurstküsse“ haben mich mit ihrer Pointe überrascht. Hier hält Hella am Tag ihrer Diamantenen Hochzeit Rückschau auf 60 vergangene Jahre. Jahre mit einem Mann, der nie der ihre war.
Alle diese Begebenheiten hinterlassen einen feinen Stich im Herzen.
Melancholisch gestimmt, wünscht man den Protagonisten Farbe für ihr graues Leben und das berühmte Licht am Ende des Tunnels.
Doch bevor die Last der geschilderten Alltagswunden zu schwer wird, taucht eine launige Storie auf und erfreut mit Mikesch, der kein Kater ist. Ober präsentiert einen orakelnden Goldfisch, der sich als Dating-Plattform hervortut.
Mir haben die Erzählungen gerade wegen ihrer dunklen Seiten gefallen. Das Leben hat neben dem Licht auch Schatten zu bieten und Maiken Brathe schaut in diese dunklen Ecken so anrührend und verletzlich, dass man sich dem tiefen Sog der Erzählungen kaum entziehen kann.
Wer Literatur abseits des Mainstreams sucht, ist hier richtig. Und das ist dem Adakia-Verlag zu verdanken, der diese gesammelten Stories veröffentlicht hat.
Auch wenn das Lesen nicht immer Freude war, so ist der Schmerz doch Teil unseres Lebens und hat seine Berechtigung.
Denn auch ich:
„… möchte einen Baum umarmen, wenn die Welt in Flammen steht. Möchte eng verwachsen sein, meine Haare durch die Finger ziehen und sie in seine Krone weben. Seite 217
Auch ich suche nach Orientierung in einer Welt voller Naturkatastrophen, Einsamkeit, Armut und Krieg.