„Es kann der Frömmste nicht in Frieden bleiben, wenn es dem bösen Nachbar nicht gefällt.“ F. Schiller
Der Nachbar: schon im Alltag ein Wesen von schillernder Ambivalenz. Segen, wenn er mit hilfsbereiter Gelassenheit komplexe Gerätschaften aus dem Baumarkt bändigt, während man selbst beim Versuch gescheitert ist, einen Dübel gerade einzusetzen. Fluch hingegen, wenn derselbe Heimwerkgott bei jeder Unordnung zur menschgewordenen Meldebehörde mutiert und Ordnungsdienste mit der Emsigkeit eines Blockwarts alarmiert.
Sebastian Fitzek nimmt diese Ambivalenz und destilliert daraus in „Der Nachbar“ einen Thriller, der mit einer so grausamen Gnadenlosigkeit erzählt ist, dass man sich schon nach wenigen Seiten wünscht, die Wohnungstür doppelt abzuschließen.
Im Zentrum steht Sarah, einst Strafverteidigerin, nun Betreiberin eines Berliner Spätis mit Tochter Ruby. Ein Neuanfang, der , wie so viele Umzüge in Fitzeks Kosmos, weniger die Flucht in die Freiheit ist als der Versuch, ein Leben notdürftig zusammenzuflicken.
Über Sarah hängt kein einzelnes Damoklesschwert, sondern eine ganze Wetterfront aus Vergangenheitstraumata. Und Fitzek lässt diese Wolken nicht etwa aufreißen, nein, er lässt sie kreisen, dichter werden und brutal hernieder krachen.
Fitzek zeigt sich in Höchstform: kurze, elektrisierte Kapitel, Cliffhanger im Sekundentakt, Andeutungen, die sich endlicher Kontrolle entziehen und Seiten später das fehlende Puzzlestück ergeben. Er deutet an, was er verschweigt und gerade im Vakuum zwischen Information und Imagination entsteht jene nervöse Grundspannung, die seinen Thrillern ihren unnachgiebigen Sog verleiht.
Und wenn man glaubt, man habe ein Muster erkannt, schleudert er den nächsten Twist hinein, der die Wahrnehmung erschüttert und die Nerven blanklegt.
Psychologisch greift er tief: Stalking, enttäuschte Liebe, Manipulation, Macht und Dominanz. Er zeigt, wie eine Frau zwischen patriarchaler Kontrolle und seelischer Grausamkeit um Selbstbestimmung ringt.
„Der Nachbar“ ist schwere Kost, nichts für Feinnervige aber ein gnadenloser Pageturner, der erst auf der letzten Seite loslässt. Fitzek so böse, brillant und präzise wie seine Fans ihn lieben.



[…] „Dieser Band ist keine späte Gedenkplatte, sondern ein Monsterbrillant aus dem Tiefsee‐Schatz der deutschsprachigen Literatur: 15 Geschichten, die zeigen,…