„Die Nacht“ von Marc Raabe

„Wofür zum Teufel gab es Liebe, wenn sie immer nur alle unglücklich machte?“ Seite 37

Mit Die Nacht legt Marc Raabe den dritten Fall für Art Mayer vor – und katapultiert den Leser erneut in einen Strudel aus Lügen, Gewalt und tief vergrabenen Wahrheiten. Doch dieses Mal steht mehr auf dem Spiel als je zuvor: Es geht um Milla, das Mädchen, das Leserinnen und Leser aus den vorherigen Bänden ins Herz geschlossen haben. Und es geht um ihre verschwundene Mutter Dana – eine Geschichte, die so tief unter die Haut geht, dass man beim Umblättern fast das Klicken eines Revolvers hört, der einem an den Kopf gehalten wird.

Raabe beherrscht sein Handwerk: Er erzählt in wechselnden Perspektiven, zieht gekonnt zwei Erzählstränge auf – die Gegenwart mit Art und Nele auf der Suche nach Dana, und die Vergangenheit, in der Danas verzweifelte, beklemmende Geschichte langsam ans Licht kriecht. Diese Cliffhanger sind nicht nur fesselnd – sie sind grausam. Man möchte weiterlesen, muss weiterlesen, wird durch das Buch gepeitscht.

Art, der hier persönlicher denn je agiert, geht mal wieder über alle Grenzen: Er erpresst den Bundeskanzler, einen alten Freund, um endlich Antworten zu bekommen. 

Als er eine mysteriöse Nachricht mit Koordinaten erhält, führen ihn und seine Kollegin Nele die Spuren direkt zu einer Leiche in einem Wohnwagen. Die Szene ist filmreif, dramatisch – und voller Hinweise, die sich später wie Puzzlestücke ineinanderfügen.

Dana, Millas vermisste Mutter, wächst in prekären Verhältnissen auf: Der Wohnwagen als Ort der Enge, die Gewalt des Stiefvaters, die Angst – und ihre Freunde, die ihr Halt geben, aber sie zugleich in eine Katastrophe mitreißen. 

Raabe lässt uns die Nähe zu ihr spüren. Ihre Abgründe, ihre Wut, ihre Ohnmacht. Und als ihr kleiner Bruder verschwindet, beginnen Ereignisse, die sie in einen Albtraum stürzen, aus dem es kein Erwachen zu geben scheint.

Während Nele sich vom gesetzestreuen Kompass zur unerschrockenen Ermittlerin wandelt, wirkt Art fast weicher – seine Sorge um Milla verleiht ihm eine neue Tiefe. Doch Nele zahlt einen Preis: ihre Rolle als Mutter wird fast beiläufig ausgespielt, was – trotz aller Spannung – auch Fragen hinterlässt.

Die Nacht ist ein Pageturner, der alles hat: eine vielschichtige Story, psychologische Tiefe, politische Intrigen und ein beunruhigendes Gefühl, dass nichts ist, wie es scheint. Raabe legt Spuren, verwirrt, führt in Sackgassen – nur um dann eine Wahrheit zu präsentieren, die alles in ein neues Licht taucht. Die Verknüpfung aller Fäden gelingt gekonnt und doch bleibt ein kleiner Restzweifel.

Ein Thriller, der nicht loslässt. Bis zur letzten Seite. Und darüber hinaus.

🐸 Mehr Rezensionen: , ,
Es sind keine Kommentare vorhanden.