„Bequemlichkeit ist das allerletzte als Lebensmotto“. Seite 86
Zora del Buonos Seinetwegen ist ein Roman der Suche – nach der Wahrheit, nach einem verlorenen Vater, nach den Spuren einer Vergangenheit, die untrennbar mit Schuld, Verlust und Zeitgeschichte verwoben ist. Es ist eine raffinierte, klug komponierte Erzählung, die sich literarisch zwischen verschiedenen Textsorten bewegt: Zeitungszitate, Essays, Aufzählungen und Buchpassagen verdichten sich zu einem poetisch-herzzerreißenden Mosaik.
Im Zentrum steht eine Recherche: die Erzählerin geht dem Unfalltod ihres Vaters nach, der am 18. August 1963 mit nur 33 Jahren starb. Ein Mann mit den Initialen E.T. überfuhr eine durchgezogene Mittellinie und riss ihn aus dem Leben. Der Onkel überlebte mit einem Oberschenkelbruch – doch für den Vater gab es keine Rettung.
Diese Rekonstruktion der Vergangenheit ist zugleich eine Auseinandersetzung mit Erinnerung, mit den Spuren, die der Tod hinterlässt, und mit dem eigenen Verhältnis zu Wahrheit und Vergebung.
Besonders beeindruckend ist del Buonos präzise und poetische Sprache, die jede Emotion spürbar macht, ohne je ins Sentimentale abzurutschen. Schon früh im Buch trifft sie tief – etwa mit der klugen Reflexion über die „Liste der eigenen Deformationen“ (S. 22). Ein Moment, der nicht nur zeigt, wie sehr persönliche Geschichte und Empathie für andere miteinander verknüpft sind, sondern auch, wie universell die Erfahrung von Verlust und Vergänglichkeit ist.
Seinetwegen ist mehr als ein persönliches Buch – es ist eine literarische Liebeserklärung an die Wahrheit, an das Unausweichliche und Unabänderliche der Vergangenheit und die Frage, was Erinnerung bedeutet. Ein großartiges, kluges Werk, das geführt ist, wie eine kluge Konversation zwischen Gleichgesinnten.