Eine wilde Irrfahrt durch die Psyche einer ganzen Generation
„Scheint auf jeden Fall ein außerplanmäßiger Halt zu sein, und mit außer planmäßigen Halten kenne ich mich aus, mein Leben ist voll davon.“ Seite 111
Langrezension
Selten habe ich ein Buch mit so viel Schmerz gelesen wie Anton Weils Debütroman „Super einsam“
Ich möchte den Versuch starten, den Inhalt des Buches visuell begreifbar zu machen, denn es ist so anders, es geht so tief, überrascht, tut weh und dann doch wieder gut.
Jeder, der schon einmal auf der Kirmes war, kennt einen Freifallturm.
Mit drei Meter pro Sekunde werden die Insassen in 80 Meter Höhe gefahren, um dann ins Bodenlose zu stürzen.
Man setzt sich also in dieses Fahrgeschäft. Die Haltebügel werden um den Körper geschlossen. Man kann sich nicht mehr rühren und ist wie in einem Käfig gefangen.
Die Anspannung wächst und vielleicht hinterfragt man innerlich sein Tun oder verspricht sich die Welt einer kurzfristigen Ablenkung, das Vergessen, eine neue Erfahrung?
Dann gehen die Lichter an und langsam schwebt man nach oben in die Dunkelheit. Das Gefährt dreht sich langsam um seine eigene Achse. Die Menschen unter einem werden immer kleiner und man selber fühlt sich losgelöst und bedeutungslos fern vom Geschehen.
Eine Frage kommt auf. Was wäre wenn? Was wäre, wenn das hier nicht mehr zu stoppen ist?
Dann plötzlich blenden die Lichter auf und pressen sich grell auf die Augen. Ein kurzes Klicken ist zu hören, und schon befindet man sich ungebremst im freien Fall.
Der Magen schießt nach oben und verkrampft sich. Das Adrenalin verflüssigt den Körper. Die Knöchel treten an den Haltegriffen weiß hervor vor Anspannung. Man schaut nach unten und sieht den Boden auf sich zu rasen, spürt fast das Aufklatschen auf dem Asphalt.
Stopp!
Als man schon denkt zu spät, hält das Fahrgeschäft und gleitet ganz langsam in einem Taumel wieder nach oben, nimmt ein Glücksgefühl mit.
Geschafft!
Man hat durchgehalten und jetzt ist man wieder auf dem Weg nach oben. Überall verheißungsvolles Blinken und ein Prickeln im Bauch bis zum nächsten freien Fall.
So geht es Vito dem Protagonisten in Anton Weils Buch.
Er fühlt sich einsam, und die Kälte seiner Wohnung spiegelt seine innere Kälte. Es gibt einen schönen Satz auf Seite. 49. „Frierend lege ich mich ins Bett auf meine Seite, ziehe die Bettdecke über meinen Kopf und spreche zu den Erinnerungen, die hier schließlich noch liegen. Unter mir, neben mir und in mir begraben.“
Was macht dieses Buch so anziehend anders?
Es Ist es diese Mischung aus Momenten tiefster Traurigkeit und plötzlicher Euphorie. Dieses bis ganz nach unten absacken, fast bodenlos in die Tiefe stürzen, mit Angst irgendwo zu zerspringen, nicht mehr da zu sein.
Dann plötzlich doch ein Netz unter sich zu spüren. Teil einer Geschichte zu werden. In eine Euphorie einzutauchen, mit der man noch vor Sekunden nicht gerechnet hätte.
Es ist diese Mischung die dieses Buch in kurzen Kapiteln zu etwas Besonderem macht. Ausgestattet mit einem so einmaligen Sound der Generation Millennials den ich noch nie so gelesen habe. Rein fiktionale Passagen wechseln sich ab mit alptraumhaften, schweren oder wunderschönen, leichten Kapiteln.
Am Ende möchte ich mich Sandra Hüller anschließen. Ich habe Vito kennengelernt und um in einem Bild zu bleiben, Haut um Haut wie bei einer Zwiebel von ihm abfallen sehen, bis es nichts mehr von ihm zu verstecken gab.