„Iowa“ von Stefanie Sargnagel

„…man hat einen verständnisvollen Blick auf die Kaputten dieser Welt, wenn man selbst angeknackst ist.“ Seite 77

Ich schlage ich die Seiten des Buches Iowa“ auf und mir entfährt ein lautes –

Och nö! 

Wer hat hier den Sparhebel angesetzt und gemeint, mich mit mikroskopischer Schrift beglücken zu können? 

Ich habe jetzt schon keinen Bock auf diese Microbuchstaben aber leider keine Alternative. Mein Augenarzt wird sich freuen, vermutlich arbeitet der mit Rowohlt zusammen.

Die nächste Feststellung die ich treffe, ist freudig, denn der Buchpreis kann auch komisch und so begleite ich Stefanie und ihre Künstlerfeundin Christiane Rösinger nach Iowa.

Sie landen in Grenill und dort ist, mit Verlaub, der letzte Hund begraben. Beim Lesen wische ich mir sogar den imaginären Staub von meinen Klamotten 

Alles in Grinnell ist überdimensioniert, riesig und leer. Ab und zu kommt mal ein Pick-up Truck vorbei oder man sieht einen totgefahrenen Waschbären auf der Straße liegen.

Kurz nach sechs versinkt das Örtchen in den Tiefschlaf. Nur einige Bars halten dagegen.

Jetzt wird es Zeit unsere beiden Protagonistinnen vorzustellen bzw. kann man das der Autorin getrost selbst überlassen.

Steffi sieht sich selbst als stabile österreichische Durchschnittsalkoholikerin, mit zu kurz geratenen Beinen und mehr Bauspeck als erwünscht. Sie liebt Cola und überdimensionierte Supermärkte, schaut sich die Typen aus dem Diner wie ihre Lieblingsserien an und hat einen Hang zu No go Areas.

Aus Langeweile versucht es Steffi mit Tinder. Als ihr eine Kollektion von amerikanischen, schiesswütigen Braunbärtypen angeboten wird, gibt sie dieses Ansinnen wieder auf, obwohl sie ein Faible für Bärtige mit dicken Bäuchen hat.

Christiane Rösinger, dagegen ist ein Idol für punkiges Altern. Sie ist Single aus Kreuzberg und steht eher auf frauliche Selbstertüchtigung. Als echte Vertreterin der Boomer-Generation ist sie taffer als die ängstliche Millennial-Steffi.

Sie liebt Kekse und Spezi, geklaute Lesebrillen von Roßmann und ritualisierte Nahrungsaufnahme wie Kaffeetrinken. Christiane ist um die 60.

Mit Regeln und Besitzverhältnissen nimmt sie es nicht so genau. Sie neigt zu Impulskäufen und klaut dabei wie ein Rabe.

Die Verständigung der beiden klappt eigentlich wunderbar über die Generationen hinweg, wie diese kleine Kostprobe zeigt:

Christiane fragt Steffi nach einem Schwämmchen:

„Was für ein Schwämmchen denn? Ist das ein alter Ausdruck für ein Tampon? Ach Quatsch, ich habe doch keine Tage, Steffi, ich bin sechzig!“ Seite 104

In diese Wüstenei hat es Steffi aufgrund eines Lehrauftrages ans hiesige College in Grinell verschlagen.

Die Frauen sind in einem netten gelben Holzhaus untergebracht. Der darin befindliche Fernsehsessel geht sofort eine Allianz mit Steffis Hinterteil ein. Das Covercartoon zeigt die hier entstandene Symbiose auf einzigartige Weise. 

Was beide so im College treiben, ist eigentlich Nebensage. In der Hauptsache läuft man, wie auf einer lustigen Wanderung mit guten Freunden, nebenher und lässt sie einfach reden.

Die meisten Themen ziehen wohlwollend an einem vorbei. Der Amerikner liebt Hummelfiguren und Light Beer, Flanellhemden und seinen Truck. Er schließt gern und schon Babys kann man komplett in Camouflage einwickeln.

Doch neben dem freundlichen Klischee-Geplänkel, wird es immer mal wieder ernster, wenn es um Obdachlosigkeit, Feminismus, Tradwife, Amish oder Abtreibung geht. 

Es ist, als schaue man durch ein buntes Kaleidoskop, dass durch Drehen immer neue schillernde Facetten zeigt.

Der Humor der Autorin ist grandios selbstironisch. Er ist schießt immer ein bisschen unberechenbar aus ihr heraus, was die Mundwinkel tanzen lässt. Dabei nimmt sie manchmal eine Underdog-Haltung ein, die sich in einem derben Witz im leichten Wiener Schmäh ausschleicht.

Eine gelungene Road Novel bei der die Autorin eigentlich als Anthropologin ihrer selbst fungiert und ungefähr jedes amerikanische Klischee mit Witz vorführt.

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