„Pass ma uff, Keule, aus dich wird nie wat“!
Seite 231
Die Roaring Twenties oder auch „die wilden bzw. goldenen Zwanziger“ machen Berlin zu einer Stadt in der alles möglich erscheint.
„Touristen erlebten alles in Berlin, was die Stadt erlaubte und die Provinz verbot.“ Seite 104
Federboas, Charlestonkleider und Zigarettenspitzen sind das äußere Zeichen dieser Zeit.
Der Krieg scheint überwunden und die Lebenslust erwacht. Besonders die Frauen erstarken in dieser Zeit beruflich wie privat. Sie schneiden sich die Haare kurz und genießen das Leben.
Eine von ihnen ist Anaïs Maar Kulturredakteurin beim Berliner Brennpunkt.
Eigentlich wollte sie wie ihr Vorbild Egon Erwin Kisch für eine renommierte Zeitung schreiben, doch Berlins Straßen sind gepflastert mit arbeitslosen Journalistischen.
So landet sie beim Boulevard und durch einen eher unschönen Zufall wechselt sie von der Kultur zum Mord.
Da sie als dunkelhäutige Quotenfrau kaum eine Lobby in der Redaktion hat, muss sie annehmen und sich mit dem bestialischen Mord an einer Prostituierten beschäftigen.
Der Mörder hat sich den Londoner Ripper zum Vorbild genommen und genau wie dieser sucht er die ärmsten Viertel der Stadt auf und vergeht sich an den Schutzlosesten, die nur noch ihre Haut zu Markte tragen können.
Die Autorin Callis zeichnet ein unglaublich detailliertes Sittenbild des damaligen Berlin.
Der harte Berliner Dialekt verdichtet die schnodderige Atmosphäre noch. Herausragend beschreibt sie die Dissonanz zwischen den Lichtern von Berlin mit seinem Glämmer und denen, die man im Dunkel nicht sieht. Den Bettlern, Huren, Kriegsversehrten in den Hauseingängen der Hinterhöfe.
„Pass ma uff, Keule, aus dich wird nie wat“! S. 231
Auch das Erstarken der Nationalsozialisten und deren zunehmende Präsenz auf Berlins Straßen, die Gewalt der Braunen, die sich gegen alles richtet was nicht ins arische Weltbild passt, ist gänsehautbringend eingefangen.
Neben dem Sittengemälde gilt es aber noch den Mörder zu jagen.
Hier will die Autorin etwas zu viel. Dadurch baumeln manche Handlungsstränge lose herum und werden dann nur halbherzig verstrickt, was schade ist, da sie sich mit der Ausarbeitung aller Charaktere viel Mühe gemacht hat.
Für mich rangiert dieser Krimi unter Cosy Crime, da die Zeitgeschichte hier eindeutig im Vordergrund steht. Der an Stevenson erinnernde Twist hat mich etwas enttäuscht, hier hätte eine frische Idee gut getan.
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