„Lange Maß ich meinen Fortschritt am Abstand, den ich zwischen uns brachte.“
Seite 9
Vor neun Jahren zog Marco aus der Dinslakener Sozialwohnung seiner Kindheit nach Berlin. Das kleine Leben ist ihm zu eng geworden, er will mehr für sich.
Er will dazugehören aber auch einzigartig sein, es allen beweisen. Die alte Haut abstreifen, den Geruch der Armut überdecken und Großes vollbringen.
Er scheitert, kassiert Ablehnungen, orientiert sich neu und findet trotzdem nicht seinen Platz.
Die Schuld sucht er in seinem Elternhaus, seiner Kindheit.
Diese Auseinandersetzung mit seiner Herkunft bohrt sich zweifach schmerzhaft ins Fleisch.
Längst vergessen geglaubte Verletzungen steigen gallig in den Hals. Die Abgrenzung gegenüber der eigenen Familie und die Erhöhung im jugendlichen Akademikertum ist allgegenwärtig. Aber auch die Abgrenzung der nächsten Generation, die uns weniger zutraut, setzt feine nadelstichgrosse Verletzungen.
Irgendwann begreift Marco: „Mein Scheitern ist kein persönliches Versagen oder gar keine Frage mangelnder Begabung, sondern auf meine Mittellosigkeit in mehrfacher Hinsicht zurückzuführen….Jetzt besitze ich endlich eine Sprache dafür.“ S. 111
Dieses kluge Debüt von Marco Ott funktioniert über das sehr persönliche Zwiegespräch mit seinen Eltern.
Puzzleteil für Puzzleteil setzt es ein Bild aus seelischer und körperlicher Verletzung zusammen, welches durch die Kommunikationslosigkeit zwischen Eltern und Kind entsteht aber auch immer das kleine Glück und die Geborgenheit der frühen Jahre durchscheinen lässt.
Selten hat ein Buch mich so besetzt. Ich wünsche dem jungen Autor einen nächsten, ebenso gelungenen Roman.
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