„Wir kommen zurecht“ von Annika Büsing

„Man verglich ja auch nicht Chopin mit Backofenpommes. Und beides war geil.“ (Seite 31)

Wieder ein Teenager auf der Suche – aber nach was? Eine Coming-of-Age-Geschichte über Selbstfindung, Sinnsuche, Identitätsfragen?

Man kann sich diese Fragen auch als Leser:in stellen – ebenso wie die Frage, warum man weiterlesen sollte. Ist man vielleicht zu alt für diese Art von Geschichten? Oder einfach übersättigt von jugendlichen Figuren, die entwurzelt nach Wurzeln suchen?

Annika Büsings Roman Wir kommen zurecht braucht Zeit, um zu fesseln. Erst nach 170 Seiten, mit der berührenden Geburtstagsszene zwischen Philipp und Onno, stellt sich eine emotionale Verbindung ein.

Davor wirken die schnellen Zeitsprünge, das Umherirren zwischen Traum und Realität sowie die plötzlich auftauchenden Charaktere eher verwirrend. Auch die Vielzahl an übereinandergestapelten Handlungssträngen erschwert den Lesefluss.

Die Sprache hat ihre starken Momente – besonders in den Dialogen zwischen Philipp und Onno oder Stella –, bleibt aber insgesamt hinter anderen gelungenen Beispielen des Genres zurück. Der Sound könnte noch ein Feintuning vertragen.

Zum Inhalt:

Philipp ist ein frischgeduschtes, anspruchsloses Akademikerkind.

Er kommt ohne Allüren, Widerspenstigkeit oder pubertäre Exzesse aus. Er hält sich heraus, hat gelernt, sich unsichtbar zu machen und keine Angriffsfläche zu bieten.

„Zu funktionieren, ist wie Magie, wie eine schwarze Flamme, die auf der Haut brennt, ohne sie zu versenken.“ (Seite 132)

Und dazu gibt es jede Menge Gründe.

Als Philipp acht Jahre alt war, trennten sich seine Eltern. Der Grund: die psychische Erkrankung der Mutter, die die Familie in einen pausenlosen Ausnahmezustand versetzte.

Ihre Krankenakte liest sich wie ein psychologisches Wörterbuch – Psychosen, Schizophrenie, Hypomanie, Schauspielkunst, Alkoholismus. Alles ist dabei.

Astrid ist wie Alice im Wunderland – frei, abtauchend, wann und wo es ihr passt. Da ein Kaninchenloch, und weg ist sie. Eine Mutter, die Halt geben kann, ist sie nicht. Denn sie selbst hat keinen.

Philipp wächst beim Vater auf, der mit Stella eine neue, jüngere Partnerin hat.

Das Verhältnis zwischen Philipp und Stella ist zwiespältig – eine Zweckgemeinschaft gegen den dominanten Vater, aber ohne echte Nähe.

Philipp verbringt seine Zeit mit seinem besten Freund Lorenz, arbeitet an seinem Abitur und raucht Gras auf dem Friedhof.

Wer sich auf die anfängliche Unordnung einlässt, findet schließlich einen gut gemachten Roman über Entfremdung, Sehnsucht und die warme Kindheitserinnerung an Italien.

„Es geht um die Wahl, die man hat – und um die Familie.“ (Seite 17)

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