„Wintersonnenwende“ von Engman Selåker

„Tomas trank einen Schluck Bier, griff nach seiner Dienstpistole, die auf der Lehne des Sessels lag, entsicherte sie und nahm einen letzten, tiefen Zug von der Zigarette.“ Seite 18

Wenn man einen dieser Schwedenkrimis zur Hand nimmt, wird es dunkel im Raum und die Temperatur fällt um mindestens 10 Grad. 

Da ist der Krimi „Wintersonnenwende“ des Autorenduos Pascal Engman und Johannes Selåker ebenso wie sein Vorgänger „Sommersonnenwende“ keine Ausnahme.

Es ist 1994 die Fähre MS Estonia hat Schlagseite, auf den Teppichen klebt Erbrochenes.

Zwei hartgesottene Männer sitzen an der Bar und betrinken sich. Einer ist der arbeitslose Kfz-Mechaniker Dan. Der Andere ist Kettenraucher und redet nicht viel. Plötzlich erschüttert eine Explosion die Estonia. 852 Menschen kommen bei ihrem Untergang ums Leben, nur 137 werden das Unglück überleben. 

Was das Schiffsunglück mit einer Mordserie im Rotlicht zu tun hat, klärt sich im Laufe des Kriminalfalles auf.

Doch vorerst sieht alles nach einem Mord im Rotlichtmilieu aus. Ein Freier wird mit einer Kugel im Kopf tot in einen geheimen Puff aufgefunden. Später wird sich dieser Freier als pensionierter Geheimpolizist entpuppen.

Wie tief die Grube ist, die der Kommissar Tomas Wolf und sein Kollege Zingo da ausheben müssen, ahnt zu diesem Zeitpunkt noch niemand.

Doch auch die Presse mit Starjournalistin Vera Berg ist am Start. Sie hat von dem Mord gehört und wittert einen großen Scoop, für den sie bereit ist, alles zu riskieren.

Ein Wettlauf zwischen Sensationsjournalismus und Ermittlungsarbeit beginnt. Zumeist hat Vera Berg die Nase vorn bis sie sich zur Zusammenarbeit der Polizei entschließt. Natürlich nur gegen Exklusivrechte an der Story. 

Doch Vera hat auch noch eine ganz eigene Ermittlung am Start.

Kommissar Tomas Wolf ist Kriegsveteran mit einer schweren PTS, Panikattacken und dem Trauma einer Schuld. 

Nachdem ihn Frau und Kinder verlassen haben, will er seinem Leben ein Ende setzen.

Sein Kollege Zingo, ebenso kaputt wie Tomas, verschwindet ab und an für geraume Zeit um auf einer Sauftour den gesamten Dreck wegzuspülen.

Auch alle weiteren Akteure sind auf ihre Weise kaputte Einzelkämpfer, die alle Tricks kennen, um sich selbst den größtmöglichen Schaden zuzufügen.

Die Atmosphäre ist so düster wie der schwedische Winter. Die komplexe Story wird dicht erzählt und hält überraschende Wendungen bereit.

Um den Spannungsbogen konstant hochzuhalten, bedient sich das Autorenpaar zahlreicher Cliffhänger. Auch ein Showdown vom Feinsten darf nicht fehlen.

Die Story wird abwechselnd zwischen den Hauptprotagonisten erzählt. Die Schilderungen der Morde und vor allen der Umgang mit Prostituierten sind extrem brutal und nichts für weiche Gemüter. 

„Wintersonnenwende“ ist der zweite Fall des Kommissars Tomas Wolf. Das Buch kann man gut ohne Vorkenntnisse des Ersten lesen, da es im Text Verweise gibt, die das Verhältnis zwischen Tomas Wolf und Vera Berg näher beleuchten. 

Allerdings haben die Autoren hier etwas übertrieben. Die Verweise auf Band eins sind mehr als zahlreich und ich empfand sie oft als störend.

Außerdem gerät der zweite Teil dadurch in den Verdacht nur ein Aufguss des ersten zu sein, denn in Teil eins ermittelte Vera Berg auch schon gegen Tomas.

Richtig schön ist der Farbschnitt, der die Skyline Stockholms vom Cover auf die Seiten zieht.

Insgesamt ein typischer Vertreter des „Nordisches Noir“ , so schwarz und eisig, das Fans dieses Genres voll auf ihre Kosten kommen.

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