„Was am Ende blüht“ von Jörn van Hall

„Es gibt Sieger, die mehr verlieren, als sie gewinnen.“

Seite 44

Ein Zeitungsartikel zerrt eine vermeintliche alte Schuld ans Licht. Eva Nielsen die Leiterin einer Kulturstiftung soll den Herren auf dem Eibenberg (Staatssicherheit)etwas zugetragen haben über ihre Kollegin Kirsten Densow.

Diese kommt mit Rache im Bauch zurück in das Land, dass es nicht mehr gibt und fordert Wiedergutmachung für begangenes Unrecht.

Zum Helfershelfer kürt sie Fuller, einen Journalisten, der eigentlich hätte Chefredakteur sein müssen und nicht diese Dahergelaufenen aus dem großen Land im Westen.

Eine Hexenjagd beginnt, die Wunden aufreißt, das alte Rot aufleben lässt, Ängste schürt und fast alle zu Opfern macht.

„Es gibt Sieger, die mehr verlieren, als sie gewinnen.“ Seite 44

Jörn van Hall legt hier ein Stück experimentelle Literatur vor, die aufgrund ihrer neuartigen Komposition ein eigenständiges Sprachbewusstsein einfordert.

Knapp und prägnant, auf wenigen Zeilen zusammengedrängt wird eine ganze Geschichte erzählt.

Bsp.: „In diesen liederlichen Genossenschaften verlässt sich einer auf den anderen. Wir sind von Gut und Böse verlassen. Saufen, das können sie alle … Und haben die faulen Nichtsnutze kein Futter fürs Vieh, das sich vor Hunger die Seele aus dem Leib brüllt, fahren Sie mit der Schubkarre zum Bäcker Sie kaufen das billige Brot für die Schweine und schütten es in die dreckigen Ställe“. Seite 81

Diese kurzen, zerstückelten Beschreibungen der Auswüchse einer sozialistischen Planwirtschaft erzählen das Unfassbare. Legen die Geschichte mit feinem literarischen Schnitt bloß. Kein Wort zuviel, kein Lügengeschwür zu tief für dieses Skalpell.

Manchmal allerdings ist der Text so reduziert, dass sich mir der Sinn entzieht. (S. 142 Fuller in der Bar). Manche Verknappung löst sich zwar im Lauf der Geschichte auf, doch einige Bilder bleiben wie Splitter zurück und lassen sich nicht einfügen in das Bild der Geschichte. Was schade ist, denn es ist eine großartige Arbeit.

Was mir aber buchstäblich auf den Leib geschlagen ist, ist dieses Wort. Leib! Wie oft kann man ein Wort lesen ohne darüber ärgerlich zu werden? Genau 14 Leiber lang.

Für alle, die sich gern auf ein experimentelles Leseerlebnis einlassen und/oder die DDR erlebt haben, kann ich dieses Buch nur empfehlen, mich hat es erschaudern lassen.

„ Zwei Männer kamen damals in mein Büro, sagte Eva Unangemeldet. Ich wusste, woher sie kamen, bevor sie sich vorstellten. Sie sahen wie einfache Buchhalter aus, doch von ihren Gesichtern und Händen abgesehen war alles an ihnen dunkler als ihre Schatten. Ihr wisst, wie sie waren wie Schornsteinruß überall und unbezwingbar.“ Seite 138

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