„Meine Gedanken schwimmen wie sterbende Fische im Kopf. Seite 107
Ein 300-Seelendorf irgendwo zwischen Rebstöcken und Erinnerungen. Die Sonne brennt gnadenlos auf den ausgedörrten Boden, der Fluss liegt wie erstickt in seinem Bett, und zwischen verfallenen Mauern und verkrustetem Schweigen versucht eine junge Frau, mit der Vergangenheit abzurechnen. Totenstille Dunkelheit, der neue Thriller von Conny Lüscher, führt uns in eine Welt, in der das Grauen nicht schreit – sondern flüstert.
Malin kehrt zurück nach Welnauen, in das Ferienhaus ihrer Kindheit. Was einst Rückzugsort war, ist nun ein Ort des Schreckens. Vor drei Jahren verschwand ihre Mutter spurlos. Der Vater suchte sich das Herz wund – und starb. Jetzt ist Malin allein mit den Schatten der Erinnerung. Und mit etwas, das sich im Dunkeln regt. Schon bald wird klar: Das Dorf trägt ein Geheimnis.
Lüscher gelingt es, mit suggestiver Bildsprache und einem präzisen Gespür für Atmosphäre eine beklemmende Kulisse zu schaffen. Die drückende Sommerhitze, die leeren Straßen, das heruntergekommene Weingut mit seinem düsteren Gewölbe – all das wirkt nicht wie Kulisse, sondern wie ein weiterer Charakter im Roman. Ein Charakter, der beobachtet, schweigt – bedroht.
Besonders stark ist der Kontrast zwischen Malins Außenwelt und den kursiv gesetzten Kapiteln, in denen eine namenlose Frau in völliger Dunkelheit ums Überleben ringt.
Ihre Gedanken sind brüchig, ihr Wille schwindet. Die Jahre in Gefangenschaft haben sie ausgezehrt, körperlich wie seelisch. Dass sie sterben wird, scheint für sie eine Gewissheit – für uns Leser ist es ein qualvoller Countdown.
Diese Passagen sind ein Herzstück des Romans: verstörend, klaustrophobisch, verstummt und doch erschütternd laut.
Der Thriller folgt der bewährten Dramaturgie: kurze Kapitel, pointierte Cliffhanger, Perspektivwechsel. Die Seiten fliegen, auch wenn man ahnt, worauf das alles hinauslaufen wird. Denn ja – wer regelmäßig Thriller liest, wird früh einen Verdacht haben. Die Fährte, die Lüscher legt, ist zwar verschlungen, aber nicht undurchschaubar. Der Täter/in mit einer Obsession für schönes Haar, wird bald greifbar – und dennoch bleibt genug Ungewissheit, um die Spannung bis zum explosiven Showdown hochzuhalten.
Denn das letzte Drittel entfesselt eine Wucht, mit der man nicht rechnet. Das Tempo zieht an, die Handlung überschlägt sich, die Figuren geraten in einen Strudel, der keine Atempause mehr zulässt. Lüscher spielt hier ihre Stärken aus: sie lässt das Grauen eskalieren, aber nie entgleisen. Der Schluss kommt schnell, vielleicht zu schnell, aber er trifft.
Ein düsterer, atmosphärischer Thriller, der seine Leser gefangen nimmt – so wie jene Frau, die im Dunkeln auf ihr Ende wartet.