„Tausend kleine Freuden“ von Nigel Slater

„Ein Koffer ist niemals leer. Er ist immer so prall, voll mit Plänen, Hoffnungen und Träumen, dass kaum Platz für die Kleidung bleibt.“ Seite 117

Nigel Slater ist nicht nur Kochbuchautor und Food-Journalist, sondern auch ein genauer Beobachter des Lebens. 

In „Tausend kleine Freuden“ sammelt er Momente, die auf den ersten Blick beiläufig wirken, die aber im Rückblick das Wesen des Glücks ausmachen. 

Er spricht von einer Woge Schneeglöckchen, von einem improvisierten Picknick oder einem Strauß selbst gezogener Duftwicken. 

Es sind Bilder, die so rasch auftauchen und vergehen wie der goldene Sonnenuntergang, den der Leser für sich selbst ergänzen mag, oder der Duft eines frisch gewaschenen Bettbezuges. Und man fragt sich beim Lesen ganz automatisch: 

Und was sind meine kleinen Freuden?

Slaters Buch lebt von dieser ansteckenden Leichtigkeit. Jede Geschichte  ist eine kleine Reportage, ein Post it im Vorübergehen. Es sind Erinnerungen in Miniatur, festgehalten, bevor sie verblassen. 

Der Autor will keine Schattenseiten dokumentieren, das Negative überlässt er der Welt, die ohnehin davon überquillt. Was bleibt, ist eine Sammlung schöner Augenblicke, gebündelt unter der großen Überschrift des guten Lebens. Reisen, der Garten, seine Eigenheiten und das Kochen.

Ein besonders anschauliches Beispiel gibt er in seiner Reflexion über das Reisegepäck: 

„Ein Koffer ist niemals leer. Er ist immer so prall, voll mit Plänen, Hoffnungen und Träumen, dass kaum Platz für die Kleidung bleibt.“ 

Auf Seite 117 beschreibt er den Abschied vom alten, abgewetzten Koffer und die Begegnung mit dem glänzenden Aluminiumexemplar, das jede Schramme als Auszeichnung trägt. Slater packt Listen, er packt sorgfältig, und er packt so, dass nie wieder eingepackt wird, was einmal ungenutzt blieb. 

Hier blitzt etwas von seiner leicht spleenigen Genauigkeit auf, die man als liebevoll belächeln oder irritierend pedantisch empfinden mag.

Slater schreibt journalistisch knapp, bedacht auf Zeilen und Wortvorgaben, so scheint es. Doch immer kippt das Notat in Poesie, der nüchterne Bericht verwandelt sich in ein lebendiges Fragment. Er schult den Blick für das Kleine, das Flüchtige, es lädt ein, mitten im Alltag innezuhalten. Vielleicht, um Neues auszuprobieren, vielleicht auch, um im Gewohnten das Ungewöhnliche zu entdecken.

Ob man Nigel Slater selbst gern begegnen möchte, bleibt dahingestellt. Sicher ist, dass seine Miniaturen eine Einladung sind, die eigenen kleinen Freuden ernst zu nehmen. Sie halten fest, was sonst unbemerkt entschwände, und sie erinnern daran, dass Glück sich selten in großen Gesten zeigt, sondern in Augenblicken, die so zart sind wie eben ein Büschel Schneeglöckchen im frühen Jahr.

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