„Tanz, tanz, Revolution“ von Lisa Weeda

„Die Menschheit ist ihr eigener Teufel, wir sind wohl dazu geboren, unsere eigene Art zu quälen und in den Tod zu treiben, dem eigenen Bösen zuzusehen, Generation um Generation.“

Seite 155

Es ist Krieg in Besulia. Das Land wurde von seinem nördlichen Nachbarn überfallen und Mord und Zerstörung halten Einzug.

Doch der Rest der Menschheit, die Nutznießer der Wohlstandsgesellschaft schauen sich das Leid der Opfer in den Weit-weg-Abendnachrichten an oder entfernen es mit einem Wisch vom Display ihres Handys.

Einige spenden andere schicken Durckhalteparolen „Stay Safe“ oder bedauernde Allgemeinplätze an die Betroffenen.

Doch was passiert, wenn plötzlich am Abendbrottisch eine halbzerfetzte Leiche erscheint? Unter unserem Bett eine Tote liegt, oder auf dem Rücksitz unseres Autos ein toter Kinderkörper zur Seite kippt?

Dann ist der Krieg buchstäblich mitten unter uns und wir können nicht wegsehen, nicht swipen, nicht zur Tagesordnung übergehen. Genau das passiert im Buch „Tanz, tanz, Revolution“.

Über das Internet gibt es einen Aufruf der Besulanier ihre Toten wieder wach zu tanzen, aktiv zu werden um den schlechten, viel zu frühen Tod wieder rückgängig zu machen und damit den Krieg und das Leid zu verkürzen.

Der Tanz wirkt nur in der Gemeinschaft. Es ist ein Tanz, der aus einer langen Tradition geboren wurde, der Svaboda Samoverzjenja.

Manche Menschen nehmen den Ruf auf und tanzen, engagieren sich. Andere reagieren mit Wut, wenden sich ab, wollen nichts damit zu tun haben. Es ist ja nicht ihr Krieg.

Steckt Angst hinter der Wut oder Gleichgültigkeit oder dahinter vielleicht Hilflosigkeit und Versagensängste?

Werden sich genug finden für diese Aufgabe, werden sie den Krieg damit beenden, die Toten zum Wiederaufbau zurücksenden oder wird Besulia zerstört?

Seht her, ruft Baba Yara, eine weise Frau, werdet aktiv und vergesst uns nicht. Ist das nicht die aktuelle Botschaft unserer Zeit?

Natürlich drängt sich hier sofort der Krieg in der Ukraine auf.

Die Niederländerin Lisa Weede, deren Vorfahren aus der Ukraine stammen, schickt mit diesem geradlinigen, sprachlich effizienten Werk, einen Kanonenschlag für die Mitmenschlichkeit. Ein Notruf, geboren aus der Tradition eines Volkes, das ohne Hilfe alles verlieren wird.

Absolute Leseempfehlung für etwas so nie Gelesenes!

„Tanzt, tanzt, sonst sind wir verloren“ sagte Pina Bausch

Was bedeutet es?

Wenn ich tanze, dann können meine inneren Ansprüche nicht das Sagen haben, weil es sonst nicht funktioniert.

Ich muss mich ganz auf den Moment einstellen, ganz auf die Musik, ganz auf mein Gegenüber.

(Greta Rauschenberg über dieses Zitat.)

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