„… denn Frühdienst in der Rettungsstelle ist wie Ramadan. Kein Frühstück, kein Mittagessen und Abendessen erst nach Einbruch der Dämmerung.“ Seite 115
Willkommen in der Hölle – Pardon, der Rettungsstelle eines großen Berliner Krankenhauses. Frisch dabei: Nicki, die Ärztin, die keinen Faden vernähen, aber jeden Puls fühlen kann – bevorzugt mit einem Liter Espresso im Blut und einem Rambo-Zitat auf den Lippen.
Begrüßt wird sie vom Oberarzt Micha mit einem jovialen “Du”, was die Stimmung zwischen Neonlicht und Notfallchirurgie gleich etwas menschlicher macht. Oder zumindest weniger steril.
Mirasol nimmt uns an die Hand – und wir wissen nicht, ob sie uns in den OP-Saal oder gleich ins Irrenhaus führt. Denn was hier passiert, ist eine Mischung aus Krankenhaus-Realismus und gepflegtem Wahnsinn. Die Pflegekraft ist die erste Instanz in der Rettungskette – und stellt zuallererst fest, ob man noch lebt oder nur noch so tut.
Wer ist schon bereit ans Himmelstor zu klopfen? Den gilt es zuerst zu finden und wenn möglich, von seinem Vorhaben abzuhalten. Dafür ist Nicki da!
Die Autorin erzählt das Ganze mit so viel ironischem Augenzwinkern, Kalauern, und Zitatkunst, dass selbst Gandalf der Graue in der ZNA kurz grinsen würde – bevor Nicki wieder versucht, jemanden vor dem finalen Licht zu retten. Feminismus kommt auch nicht zu kurz:
Nicki muss sich doppelt beweisen, weil Ärztinnen offenbar noch immer erst genommen werden, wenn kein Mann greifbar ist, sie ein Stethoskop sehr sichtbar tragen oder nebenbei ein Maschinengewehr halten.
Zwischen Patienten, die lieber sterben als noch einmal zur Blutabnahme antreten, und Kollegen, die ihr Herz an einer Mikrowelle verloren haben, kämpft sich Nicki langsam in die Gunst des Pflegepersonals – und das will was heißen. Denn da zu bestehen ist schwieriger als ein Facharzt in Raketenwissenschaften.
Und ja, die Patienten… nun. Die einen verlassen den Schockraum auf eigenen Beinen, die anderen in horizontaler Lage – je nachdem, wie gut Nickis Tag war und ob der Kaffee schon wirkte. Und wer selbst schon mal das Vergnügen hatte, in einer Notaufnahme dreimal falsch angestochen zu werden, wird hier literarisch getröstet. Sozusagen Therapie durch Lachkrampf.
Besonders empfehlenswert für Hypochonder mit Humor, Latein-Fans mit Diagnosefetisch und alle, die wissen wollen, wie man ein Nachtdienstzimmer dekoriert, wenn einem das Wort “Gemütlichkeit” völlig fremd ist. (Spoiler: Es erinnert an eine Gefängniszelle mit gelb-grüner Depressionstapete und akustischer Dauerbelastung durch die Computerlüftung.)
Natürlich ist Staying Alive kein medizinischer Tatsachenbericht, sondern eine witzige Überzeichnung mit ordentlich Pathos und Pointe. Die Liebesgeschichte? Plopp, plötzlich da. Die vielen Namen? Ein bisschen wie “Wer war nochmal der mit dem Lungenkollaps?” Aber die Erklärungen medizinischer Fachbegriffe – göttlich! So sollte man Medizin studieren dürfen: mit Humor, Herz und einem Hauch Wahnsinn.
Fazit: Völlig überdreht, völlig unterhaltsam – und definitiv rezeptfrei erhältlich. Wer beim Lesen nicht mindestens einmal laut auflacht, hat entweder keine Nerven mehr oder ist schon tot. Und dann hilft auch Nicki nicht mehr.