„ Ich wollte zwar nicht eklig sein, nur um eklig zu sein, aber ich wollte auch nicht nicht eklig sein.“ Seite 85
Ein Roman ist noch kein feministischer Roman nur weil ihn eine Frau geschrieben hat.
Noch dazu eine Frau, die mit fast vierzig immer noch an ihrem Äußeren herumkrittelt, sich klein macht, wenn auch auf unwiderstehlich, witzige Art und es nicht schafft, ihren Darm in der Nähe eines VIP zu entleeren.
Unappetitlich, sorry aber das habe ich mir nicht ausgedacht!
Also, hier führt der Blurp in die Irre.
Ansonsten trifft unterhaltsam und smart absolut zu. Die Protagonistin Sally Milz eine New Yorker Grossstadtpflanze aus Kansas ist scharfzüngig bis zur Kaltschnäuzigkeit.
Sally ist Comedyautorin der Late Night Show „The Night Owls“ oder kurz TNO. Die Arbeitszeiten sind mörderisch, machen ganze Nächte zum Tag und hauen so jeglichen Biorhythmus mit dem Baseballschläger an den Grund.
Bemitleidenswert sind alle die, die versuchen eine normale Beziehung neben diesem Mörderjob zu führen und so ist es auch nicht verwunderlich, dass Sally mit ihren 36 Jahren ein geschiedener Single ist.
Ok, es gibt da diese Freundschaft-plus-Typen. Den derzeitigen kann sie noch nicht einmal leiden aber darum geht es Sally auch nicht. Er hält, was ein Durchschnittstyp so halten kann und ist ansonsten eher Werkzeug als Partner.
Sally sieht sich selbst als eine Art Graupelzchen neben ihren hippen Freundinnen Viv und Henrietta. Allerdings weiß sie um die eigene Genialität, die ihr durch karg hingeworfene Lob-Brosamen des Bosses manchmal sogar bescheinigt wird.
Sie ist zufrieden und das bleibt so, bis ihr Kollege Danny ein Verhältnis mit einem weiblichen Topstar beginnt. Unfassbar! Ihr platzt vor Wut über diese Art der Paarung der Kragen.
Schon wieder hat ein Lauch von TNO eine Göttin abbekommen. Das passiert nun zum dritten Mal und die Geschichte ist reif für einen Sketch.
Die „Danny-Horst-Regel“! Was Sally daran wütend macht? Sie geht nur in eine Richtung. Noch nie hat ein Filmbeau eine trottelige, ältere Skriptfee gefreit.
Wäre das schon Feminismus? Nope! Per Definition fällt die bloße Benutzung eines Typen als Freizeitspass ebensowenig in diese Range wie ein Liebesverhältnis von grauen weiblichen Mäusen zu schillernden männlichen Alphatieren oder irre ich?
Der neue Stargast der Show Noah Brewster ein Singer-Songwriter, der wie ein Surferboy aussieht, nimmt plötzlich Notiz von Sally und Dinge ändern sich, wie Dinge sich eben immer ändern.
Die Autorin Curtis Sittenfeld schreibt Sally sehr amüsante und spitze Dialoge auf den Leib. Sie schafft es, zwei Seiten von Sally glaubhaft zu zeigen. Da ist die professionelle, coole Socke Sally die sich gegen Bigotterie auflehnt und äußerst taff im Job ist.
Und da ist die private Sally, die in ihren inneren, wiederstreitenden Dialogen von Ängsten und Selbstzweifeln über das Leben, ihre eigenen Beziehungen und soziale Regeln geplagt wird.
Die Autorin schafft es immer wieder großartig, dass Sally sich selbst demontiert. Dem Leser entfährt dabei tatsächlich ein oh- hat sie das jetzt wirklich gesagt?
Im zweiten Teil entwickelt Curtis die Idee eines Briefromans per E-Mail und es ist wunderbar zu lesen, wie die Schreibenden sich abmühen den anderen zu beeindrucken, ihre persönlichen und politischen Einstellungen abklopfen auf Gemeinsamkeiten und den Elefanten im Raum einfach vermeiden.
Bis… Sally wieder eskaliert und so eine Dynamik freisetzt, die in eine Lovestory mündet.
Alles echt amerikanisch!
Das Vorbild für TNO war übrigens die „Saturday Night Live“ — Show. Ich habe noch nie so viel über die Produktion und die Strukturen der Produktion einer Fernsehshow gelernt, wie durch diesen unterhaltsamen Roman.