„Es gibt niemals nur eine Wahrheit“. Seite 382
Das Buch „Niemannswelt“ von Carina Bartsch ist eine dystopische Mischung aus Planet der Affen und Gilmans „Herland“.
Wir befinden uns im Jahr 2196. Die Bevölkerung ist durchgehend weiblich. Die Frauen leben im Einklang mit der Natur. Alles ist geregelt, sogar die Fortpflanzung. So soll eine Überbevölkerung vermieden werden.
Diese und vor allem der Mann waren Schuld an der Apokalypse im Jahr 2045. Um die Überbevölkerung der Erde in den Griff zu bekommen erschufen diese die Biowaffe XYS-1-2045.
Der Erreger sollte die Fortpflanzung eindämmen. Dieser Erreger mutierte allerdings und tötete fast alle Männer. Der Rest der Menschheit starb an Seuchen. Die wenigen, die überlebten waren Frauen. Diese gründeten 2096 Niemannswelt.
Die Beschreibung dieser beschaulichen Welt mit kleinen Häuschen, Gemüsegärten und Pferdeställen erinnert nicht an eine in 172 Jahren existierende futuristische Welt sondern eher an ein spießbürgerliches Vorstadtidyll. Pipi Langstrumpfs … Ich hab ein Haus, ein Äffchen und ein Pferd… kommt da in den Sinn.
Das Leben der Frauen ist reglementiert. Dafür führen die Frauen ein beschauliches Leben mit einem garantierten Grundeinkommen für jede. Armut und Gier gibt es nicht.
Es gibt nur eine Grundangst, die schon mit der Muttermilch eingesogen wird. Die Angst vor dem Zerstörer, dem Mann.
Von dieser Spezies gibt es noch einige. Sie werden in Laboren zur Spermaproduktion gehalten.
Zoe, eine junge Wissenschaftlerin hat noch nie einen Mann gesehen. Als sie eines Tages eine Anfrage aus einem Labor erhält, ändert sich dies und hat Einfluss auf ihr gesamtes Leben.
Die Autorin schafft es, den Leser in einen Zwiespalt zu manövrieren, indem sie nicht nur Ihre Protagonisten Zoe zum Nachdenken bringt, was Macht darf?
Diese Frage berührt grundlegende ethische, rechtliche und philosophische Überlegungen zur Rolle und den Grenzen von Macht in Gesellschaften.
Muss sie nicht die Freiheit anderer respektieren, auch wenn die männliche Spezies zum Untergang der Zivilisation geführt hat?
Dürfen alle Männer in Sippenhaft für die Verbrechen ihrer Vorfahren genommen werden um die Unversehrtheit und den Frieden der Frauen zu schützen?
Wie transparent geht die Gesellschaft der Frauen mit der Macht um? Ist ihre Legitimation an demokratische Strukturen und ethische Prinzipien gebunden um Machtmissbrauch zu verhindern?
Und ist es nicht grausam, die Männer als Laborratten zu Sicherung des Fortbestandes der Frauen zu missbrauchen oder haben Sie durch Ihre Taten das Recht auf Mitmenschlichkeit verwirkt?
Ein paar Zahlen aus 2024:
70 % aller Fälle von körperlicher und sexueller Gewalt an Frauen finden innerhalb der eigenen Wohnung statt. Seite 78
Während der Corona Pandemie 2020-2022 stieg die Zahl häuslicher Gewalttaten um fast 9 %.
Immanuel Kant sagte: „Macht ist an die Achtung der Autonomie des Einzelnen gebunden. Kein Mensch darf nur als Mittel, sondern immer auch als Zweck behandelt werden“.
Aber wurden Frauen dies nicht jahrhundertelang?
Lt. Klappentext soll hier die ungewöhnlichste und intensivste Liebesgeschichte aller Zeiten erzählt werden.
Das hat sich die Autorin sicher für die nächsten Bände aufgehoben. In Band 1 finden wir Begehren, vor allem aber finden wir eine Betrachtung darüber, ob die existenziellen Geschehnisse der Vergangenheit ausreichen um das Heute zu rechtfertigen?