„Es ist seltsam, so nah an dem Punkt zu gelangen, an dem man stirbt, und dann geht der Tod doch an einem vorbei.“ Seite 173
Eine glücklich verheiratete Frau will fremdgehen, ein Abenteuer erleben. Ein Angler nimmt einen Fremden mit zum Fischen, nur einer von beiden kehrt zurück. Wer? Und ein Vater schenkt seiner Tochter einen Hund, der ihm nicht gehört.
Das sind nur drei Erzählungen dieses Vandes, die erahnen lassen, wie Claire Keegan ihre literarischen Netze auswirft.
Nämlich mitten hinein ins alltägliche Leben, das sich in einem einzigen Augenblick ins Bedrohliche, Abgründige oder Unerwartete verschieben kann.
Man fühlt sich an die Dramaturgie eines Hitchcock erinnert.
Liebe im hohen Gras ist kein Band über romantische Gefühle, sondern über die komplizierte, oft schmerzhafte Art, wie Menschen einander begehren, enttäuschen, verlassen und dennoch nie ganz ohne Hoffnung sind.
Keegan, in Irland geboren und in der Tradition der großen Short-Story-Kunst geschult, schreibt aus der Tiefe der irischen Seele heraus. Sie weiß, dass Geschichten hier seit Jahrhunderten mündlich weitergegeben wurden, dass die Pausen und die Leerstellen, oft genauso wichtig sind wie die Worte selbst. In dieser Tradition steht auch ihr Schreiben. Es ist dicht, knapp, fast spröde und gerade dadurch von einer suggestiven Kraft.
Der Sog Ihrer Geschichten zieht den Lesenden in eine Art Meeresunterströmung. Die Bedrohung entsteht nicht durch dramatische Auftritte, sondern durch die leisesten Verschiebungen. Ein falscher Blick, eine Andeutung, ein wie hingeworfener Satz, der die Erzählung kippt. Hinter einem schmalen Stabstrich, so kurz wie ein Wimpernschlag, kann sich alles ins Dunkle, ins Tragische verändern. Manchmal bleibt aber, fast trotzig, ein Streif Hoffnung.
Es geht um Verlust und Einsamkeit, um Nähe und Isolation, um familiäre Bindungen und ungelöste Konflikte. Keegan beschreibt Sehnsüchte und die kleinen Fluchten des Alltags.
Nicht alle Erzählungen in diesem Band sind gleich stark. Manche flimmern wie ferne Lichter, andere lodern grell auf. Doch sie alle verbindet Keegans präzise Sprache, die es vermag, Bilder wie dieses hervorzubringen:
„Er führte sie übers Parkett, sowie eine Katze mit einer Zunge über einen Teller Sahne fährt.“ (S. 267)
Liebe im hohen Gras ist ein Buch, das sich in den Leser hineinträufelt. Satz für Satz, Schweigen für Schweigen. Es Literatur, die so wehmütig ist, wie eine „Irish ballad“ in einem Pub in Dublin.



[…] „Dieser Band ist keine späte Gedenkplatte, sondern ein Monsterbrillant aus dem Tiefsee‐Schatz der deutschsprachigen Literatur: 15 Geschichten, die zeigen,…