„Kontur eines Lebens“ von Jaap Robben

„ Ich konnte nichts dagegen tun. Ich hasste ihre Liebe“.

Seite 301

Kontur gleichbedeutend im italienischen mit: contorno; was dem mittellateinischen Verb contornare entspricht und -einfassen- bedeutet.

Ein eingefasstes Leben, äußerlich scharf umrissen und innerhalb der Norm.

Hat Frieda solch ein Leben gelebt als sie in ein Altenheim umzieht und alles auf wenige Quadratmeter einschrumpft?

Ihr Sohn besucht sie. Im Gepäck eine Glücksbotschaft. Das Ultraschallbild bestätigt seine Freude und lockt ihre ungezügelte Wut hervor.

Wut? Ist das eine angemessene Reaktion auf ein ungeborenes Leben?

Für ihren Sohn völlig unverständlich, reißt es in ihr einen lange verdrängte Erinnerung auf. Ihre Vergangenheit rüttelt am Tor des Vergessens. Tief in ihrem Inneren bahnen sich die Schatten ihren Weg in das kleine Zimmer des Altenheims.

Sie war jung und verliebt in einen verheirateten Mann. Eine Geschichte, wie es sie schon tausendfach gab. Eine Schwangerschaft platzt in die Illusion vom Glück. Er kneift und sie wird als loses Frauenzimmer verstoßen.

Ohne zu spoilern kann ich leider nicht weitermachen, denn für mich beginnt das Buch erst jetzt. Jetzt im letzten Drittel. Also lies nicht weiter, wenn Du das Buch noch nicht gelesen hast.

Das Erzähltempo zieht an. Die Allgemeinplätze verschwinden und machen dem eigentlichen Anliegen des Autors Platz. Es ist wie das Zuschauen bei einer Ausgrabung. Schicht um Schicht wird freigelegt. Fiebrig schaut man als Leser in die Grabkammer von Friedas Vergangenheit.

Plötzlich wird ihre Wut verstehbar, ihr Schmerz real.

„Und schweig. Schweig, schweig, schweig… versprich mir das!“ Seite 275

Fassungslos sehe ich dieses alleingelassene junge Mädchen in diesem Drecksloch von Wohnung, spüre die Gottlosigkeit der Nonnen und die Bigotterie der Familie und damit doppelt das Ausgeliefertsein von Frieda und ihrem Kind.

Jetzt will sie Antworten, endlich kann sie das übergestülpte Leben verlassen und nach dem ersten Leben suchen. Die Zeit drängt, der Sohn versteht nach dem Geständnis der Mutter und gemeinsam finden sie unaussprechlich trauriges.

Der Schluss, ein nüchternes Amtsblatt. Und endlich atme ich gemeinsam mit Frieda aus.

Ich kann Dir das Buch ans Herz legen.

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