„Glatz“ von Tomasz Duszynski

„Er blickte auf das Eisbein als wäre es eine entsicherte Granate“. Seite 73

Alkoholselig taumelt Professor Taube in den frühen Morgenstunden nach Hause. Als er eine Brücke erreicht, schält sich statt einer Statue eine Leiche aus dem Nebel. Bei deren Anblick verliert der bezechte Professor völlig die Fassung und seinen Mageninhalt verliert.

Der Tote ist ein Stadtrat und er wurde nicht nur öffentlich zu Schau gestellt. Es wurde ihm auch sein Geschlechtsteil abgeschnitten und in den Mund gestopft.

Auf Wunsch des Bürgermeisters wird ein Herr Klein aus Berlin als Ermittler an den Ort des Geschehens gerufen.

Hauptmann Klein ist von großer, hagerer Gestalt. Sein Gesicht und Teile seines Körpers sind vernarbt. Teils sind es Brandnaben, teils könnten Schnitte die Ursache gewesen sein. Er wirkt wie ein Wolf in einer Herde Schafe.

Medizin hat er studiert und im Krieg war er für den Nachrichtendienst tätig. Von seiner Einheit sind alle durch Verrat und Folter umgekommen.

Klein hat die Kameraden gerächt und neben den Narben eine schwere PTBS zurückbehalten, die er, um den Wahnsinn in Schach zu halten, mit Morphium behandelt.

Doch neben all den körperlichen Behinderungen arbeitet sein Geist hervorragend und er führt die Ermittlungen durch das Dickicht von Dreiecken, Symbolen, behördlichen Befindlichkeiten und Lügen.

Schnell wird klar, dass es sich um mehrere Täter handeln muss, zumal in den nächsten Tagen weitere Leichen auftauchen. Alle grauselig zugerichtet und zur Schau gestellt.

Nach und nach rücken erst die Juden und dann die Freimaurer in den Kreis der Verdächtigen. Die verängstigten Bürger reagieren mit Steinwürfen in die Fenster jüdischer Geschäfte und mit der Zerstörung von Freimaurerlogen.

Doch die Pfade werden immer verschlungener und führen sogar in einen Puff.

Hier hatte ich ungeheuren Spaß am Wortwitz zum besten Etablissements der Stadt. „ …dass die nach Glatz strömenden Touristen Erholung nicht nur im Schoß der Natur suchten oder die umliegenden Berge besteigen wollten. S. 273

Obwohl die Verbrechen drastisch sind, bleibt eine ganz andere Aussage haften. Eine höchst politische Aussage, denn Klein ist nicht der einzige Hellsichtige in diesem mörderischen Versteckspiel.

Wir erleben hier das Herannahen des Zweiten Weltkrieges und wie leicht Massen durch bloße Verdächtigungen zu manipulieren sind.

Das ungewöhnlich detailliert ausgearbeitete Setting dieser polnischen Kleinstadt und der Ausbau der Charaktere ist romanhaft und lässt beinahe vergessen, dass es sich hier um einen Krimi handelt. Denn neben dem Spannungsbogen zeichnet sich der Autor durch eine hervorragende Recherchearbeit aus.

Ein Krimi der zu überraschen weiß und das nicht nur durch die Entlarvung des Mörders. Hervorragend übersetzt von Markus Schnabel, der mit seiner Agentur auch einen Beitrag geleistet hat, dass dieses Buch im Jaronverlag verlegt worden ist.

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