„Eine zeitgemäße Form der Liebe“ von Katharina Bendixen

„Meine Mutter war eine Muschel. Sie war hart von außen, in ihrem Inneren aber lag eine Perle, die sie mir verschwieg. Diese Perle war nicht ich.“ Seite 46

Wer Kurzgeschichten liebt, die sich anfühlen wie Sand im Bett – vertraut, aber irritierend –, ist bei Eine zeitgemäße Form der Liebe genau richtig. Katharina Bendixen serviert uns einen feinsinnig verstörenden Mix aus absurdem Alltag, nervenzersägenden Kindern und dem ewigen Rätsel „Was mache ich hier eigentlich?“. Und das auf eine Art, die sowohl schmerzt als auch ein bisschen süchtig macht.

Da ist zum Beispiel Rosa, die sich als Kind einen Sonnenblumenkern ins Ohr steckt – ein Bild so seltsam wie poetisch. Jahre später wächst dort tatsächlich eine Sonnenblume. Klingt hübsch? Ist es auch. Bis man merkt, dass es um Schmerz, Identität und das verzweifelte Festhalten an Besonderheit geht. Willkommen im subtilen Horror des Erwachsenwerdens.

Und dann ist da Noah, das Kind aus der Hölle. Laut, unberechenbar, ein kleiner Diktator im Ferienidyll. Seine Schwester Mathilda dagegen? Still, pflegeleicht – die, bei der man ständig denkt, ob man sich vielleicht mal mehr kümmern sollte. Der Vater kapituliert, die Mutter laviert zwischen Geschichten und Ignoranz. Spoiler: Es hilft nichts. Die Erziehung läuft so schief wie ein IKEA-Regal mit fehlender Schraube.

Auf dem Ferienhof gibt es aber noch ein anderes Monster in Hundegestalt. Wer wird dieses Duell gewinnen?

Bendixen schreibt über Mutterschaft wie einen Thriller ohne Auflösung. Man liest, lacht, schluckt – und fühlt sich ertappt. Ihre Texte sind wie Falltüren im Alltag, ihre Sätze wie kleine Splitter: kaum sichtbar, aber wehe, man tritt drauf. 

Besonders die Geschichten über die namenlose Mutter – eine Muschel mit einer Perle, die sie nie gezeigt hat – sind zart und bitter zugleich. Sie streifen durch das Dickicht familiärer Schuldgefühle und Vergeblichkeit. Und plötzlich denkt man: Vielleicht war meine Mutter ja auch nur eine Frau, die nie Mama sein konnte.

Natürlich dürfen auch Gedichte nicht fehlen – kleine, schräge Miniaturen über die liebe Mama, die im Sand mitspielt, im Schlaf nicht ruht und nebenbei den Wahnsinn des Alltags irgendwie überlebt. Und der Vater?

Wer nach diesem Buch noch glaubt, Mutterschaft sei ein süßer Schokoriegel mit Rosarand – willkommen im Albtraum der Realität.

Zum Schluss bleibt das Gefühl: Diese Geschichten laufen nicht auf ein Ziel zu, sie laufen durch dich hindurch. Und wenn man versucht, sie festzuhalten, sind sie schon wieder weg. Vielleicht ist das die eigentliche „zeitgemäße Form der Liebe“: flüchtig, erschöpfend – und immer ein bisschen zu viel.

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