„Die schönste Version“ von Ruth-Maria Thomas

„ Ich hatte es geschafft. Ich war die Frau, die ich immer sein wollte: Ohrenküsse frischer Orangensaft, alles sauber, toll.“ Seite 146

Alles beginnt mit dem letzten Urlaubstag und einem unvergesslich schönen Moment. Jella will diesen Moment mit ihrem Yannick für die Ewigkeit konservieren.

Die Liebe ist neu und so blitzblank silberfarben und todesschön.

So romantisch könnte es weitergehen, träfen wir Jella nicht einige Zeit später auf dem neonkalten Flur einer Polizeiwache wieder.

Das Unaussprechliche kommt ihr nur stockend über die Lippen. Gern würde sie sie abspalten diese Worte, den Verlust ihrer Würde.

Und das, was es aus ihr gemacht hat. So eine dieser Plakatfrauen, die einem über eine Notrufnummer hinweg gequält anlächeln.

Die Ich-Erzählerin Jella schildert in Zeitsprüngen ihr junges Leben.

Jella lebt bei ihrem Vater. Die Mutter hielt es mit dem stillen Mann in der Provinz nicht mehr aus und ging nach Berlin. Und auch wenn der Vater im Umgang mit seiner Tochter stets hilflos und gutgläubig erscheint, so lieben beide Eltern ihre Tochter.

Vater und Tochter wohnen einem spiessbürgerlichen Häuschen am Stadtrand.

Jella hat was im Köpfchen. Sie macht ihr Abitur, studiert und jobbt nebenbei in der Bücherei.

Ansonsten tut sie, was junge Mädchen so tun. Feiern, Schminken, mit Freunden abhängen und sich ständig fragen, bin ich schön.

Plötzlich kommt Koks ins Spiel und eine Jungsband. Ein Abend endet schlimm und für Jella beginnt eine emotionale Abwätsspirale, die eigentlich ihre Liebe Yannick aufhalten soll.

Doch diese toxische Beziehung hat eine andere Dynamik und das Happyend singt leider auch nicht Roy Black ( ok, lange her) in seiner Liebesschnulze „Ganz in weiß…“.

Was in der Zeit zwischen dem rosaroten Himmel und der Angsthölle passiert, schildert die Autorin Ruth-Maria Thomas in ihrem Debütroman so saftig und drastisch, dass er mich so manches Mal an Roches Ekelroman „Feuchtgebiete“ erinnert hat.

Die Autorin bedient sich eines frischen Sounds. Der kommt mit stilistischer Leichtigkeit, ja sogar lyrisch daher, und gibt beim Lesen das Gefühl, in einem zu engen Rollkragenpullover zu stecken.

Er drückt den Hals zu und das liegt nicht nur an den Themen

wie Frauwerden, Frausein, toxisches Begehren und häusliche Gewalt. So intensiv beschreibt die Autorin die Szenen einer Beziehung.

Ich neige hier leider zum Erbrechen ob der diversen Geschlechtsakte und weiterer Unappetitlichkeiten.

Und irgendwie bin zwiegespalten.

Zum einen verstehe ich diese Suche nach Liebe und Glück, diese Abhängigkeit in die Frau geraten kann. Zum anderen bin ich aber auch enttäuscht, dass eine junge, gebildete Frau auch vor #metoo nicht mehr Interessen hatte als Schminken, Koksen, Klamotten klauen und Geschlechtsverkehr.

Ein streitbares Debüt, dass sicher für einigen Diskussionsstoff sorgen wird.

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