„Die letzte Favoritin“ von Klaus Bädekerl

„Auch wenn wir nicht für einander bestimmt waren, wir waren für einander geschaffen.“ Seite 57

Wenn man einem 84-jährigen Masturbanten zuhört, der mit fast schon bewundernswerter Detailversessenheit sein Leben rekapituliert – zwischen Lustgewinn, Kapitalakkumulation und verdrängtem Muttermord –, dann weiß man: Klaus Bädekerl hat kein Wohlfühlbuch geschrieben. Die letzte Favoritin ist nichts für den Nachttisch der Schwiegermutter, außer sie schreibt selbst Liebesromane in Taschenbuchreihen.

Der namenlose Protagonist – Mathematiker, Multimillionär, Playboy-Sammler und selbsternannter Lust-Revolutionär – sitzt beim Therapeuten, weil seine Tochter ihn entmündigen lassen will. Ob zurecht? Das bleibt offen, aber die Frage, ob er ein Psychopath mit Impulskontrollstörung ist, steht unausgesprochen im Raum wie der muffige Geruch eines jahrzehntealten Otto-Katalogs.

Was Bädekerl hier vorlegt, ist keine klassische Erzählung, sondern eher ein Protokoll, eine Lebensbeichte ohne Reue, ein narzisstisches Tagebuch im Plauderton. Der Therapeut? Ein stummes Echo. Der Leser? Gefangen zwischen Ekel, Faszination und der leisen Hoffnung, dass irgendwann doch noch ein Funke Erkenntnis zündet. Spoiler: Es bleibt beim Glimmen.

Der Protagonist – Sohn eines Haushaltswarenleiters und einer Groschenromanautorin – wächst in einer auffallend harmonischen Umgebung auf. Keine Gewalt, keine Demütigungen, nur: Erwartungen. Und was tut ein braver Sohn, um sich von der Liebe einer dominanten Mutter zu befreien? Genau: er studiert Mathematik statt Jura. Und hat später: 876 Millionen Dollar. Freud hätte seine Freude gehabt – Ödipus grüßt aus dem Off

Es ist ein Coming-of-Porn-Age-Roman, der sich in seiner sexuellen Chronologie von leicht biederen Katalogmodels über Playboy-Archivseiten bis hin zu digitalen Pornowelten bewegt. Die Frau erscheint darin als Ornament, als Dekor, als Oberfläche. Wenn der Protagonist sich selbst auf 17 parallel verehrte Frauen beschränkt, dann nicht aus Selbstzucht, sondern weil sich im Weltatlas eben nur so viele Seiten verstecken lassen.

Dass Jutta – die einzige große Liebe – als gesuchte Terroristin endet, könnte man für einen literarischen Geniestreich halten oder für eine schlechte Pointe. Wahrscheinlich ist es beides.

Die sexuelle Befreiung, die politischen Umwälzungen der 60er und 70er Jahre, die Fortschrittsgläubigkeit der frühen Digitalära – all das kommt beiläufig, fast lakonisch daher. Der Protagonist reitet auf diesen Wellen wie ein spätpubertärer Surfer, der nie gelernt hat, dass nicht jede Lust auch ein Recht hat.

Der Clou? Die Moral.

Denn so zynisch, so selbstverliebt dieser alte Mann auch spricht – irgendwo zwischen den Zeilen bricht sich etwas anderes Bahn: eine stille, melancholische Einsicht. Er weiß, dass er versagt hat. Nicht als Unternehmer. Nicht als Onanist. Sondern als Mensch. Als Mann in einer Welt, die Frauen zu Vitrinenfiguren gemacht hat.

Klaus Bädekerl hat mit Die letzte Favoritin einen intellektuell herausfordernden, moralisch ambivalenten und literarisch ungewöhnlichen Roman geschrieben. Kein Werk, das belehrt, sondern eines, das behelligt. Zwischen Freud und Feuchtgebieten, Kapitalismus und Körperflüssigkeit, Onanie und Ontologie.

Ein Buch, das man gelesen haben sollte.

Am besten mit einem Glas Weißwein in der anderen Hand!

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