„Blaues Wunder“ von Anne Freytag

„Manchmal ist die kleine Schwester von Scheiße eine Chance. Seite 106

Eine 70-Millionen-Euro-Yacht, ein Heer an Angestellten, ein Helikopterlandeplatz, eine exquisite Küche und traumhafte Kabinen.

Dazu sieben Menschen, die einen Luxusurlaub in türkisblauer, philippinischer Kulisse genießen könnten. Doch wie Anne Freytag in ihrem neuen Roman „Blaues Wunder“ rasch klarstellt: „Es ist ein perfektes Dinner auf einem perfekten Boot mit perfekten Menschen. Nur dass nichts davon echt ist.“ (S. 43)

Auf engstem Raum, mitten in einem schwer zu erreichenden Paradies, inszeniert der schwerreiche Unternehmer und Patriarch Walter ein Spiel, das alles andere als harmlos ist. Mit an Bord: seine beiden Angestellten Ferdinand und Kilian, die jeweils ihre Frauen Nora und Franziska mitgebracht haben. Walters eigene Frau Rachel und der Sohn David komplettieren die Gesellschaft, wobei Letzterer weder Gefallen am perfiden Spiel noch an seinem Vater findet, dafür umso mehr an Nora.

Das Setting ist raffiniert gewählt. Die Yacht als goldener Käfig, das Meer als unüberwindbarer Horizont, dazu ein unberechenbarer Despot. Enge, Unsicherheit, Lust und Macht und ein großer in Aussicht gestellter Gewinn.

Ein Kammerspiel, in dem Freytag die Puppen tanzen lässt. Und sie tut es mit sichtlicher Freude. Entstanden ist ein Racheroman, der dem Patriarchat lustvoll die Keule überzieht.

Wer Freytag von Lesungen kennt, weiß um ihr Talent, frech und nicht fromm und immer mit einem Spruch auf der Lippe aufzuwarten, Dieses Temperament spiegelt sich auch im Tonfall des Romans. Diese karikierende Ehe- und Rachekomödie ist gespickt mit messerscharfen Dialogen, Spott und Sprachwitz. Das Ganze erinnert an den Club der Teufelinnen nur mit deutlicherem Blick auf die Abgründe der Geschlechterrollen.

Dass alle Frauen vernachlässigt, entmachtet und einer selbstbestimmten Zukunft beraubt wurden bzw. sich selbst beraubt haben, machte sie anfällig für Verlockungen, Abhängigkeiten und Rachegelüste.

Dass die Männer glauben, alles unter Kontrolle zu haben, verleiht der Handlung eine fast schon satirische Fallhöhe. Wer manipuliert hier wen, und wer lacht zuletzt?

Ein unterhaltsamer Lesehappen, der unglaublich fies zu amüsieren weiß, Und ein gezielter Tritt ans Schienbein nicht nur für Trophy-Weibchen und Tradwives, sondern auch ein Ruf zu mehr weiblicher Selbstermächtigung….. ok, nicht übertreiben bitte.

Anne Freytag weiß: je enger der Raum, desto lauter die Explosion.

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