„ob ich vielleicht nur ein Punkt zum Abhaken auf seiner United Colors of Benetton Liste bin.“
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Der Alltag des gemeinen Großstädters muss das reinste Paradies sein. Wo man hinhört kommt die Antwort: Alles gut!
Oder gern auch als morgendliche Frage vom Chef. „Alles gut?“ Dann wird man anschaut, so dynamisch und erwartungsvoll und man braucht gar nicht erst in Erwägung zu ziehen, ob man den Deckel aufmachen soll: Vater krank, Geldsorgen, Handy kaputt. Nö!
Also liefert man ordnungsgemäß ab und antwortet: „Alles gut! – Und selbst?“ „Alles prima!“, bekommt man noch zu hören, bevor die Stimme auf dem Gang verhallt.
Jessica Jones ist Investmentbankerin/Analystin und ihr neuer Kollege Josh ist ihr alter Kommilitone und ein Riesenarsch. Als wäre das nicht genug, beginnt ihre Kartiere bei Goldmann Sachs NY am Katzentisch bei den Sekretärinnen der Telefonzentrale während Josh bei den großen weißen Jungs am eigenen Tisch sitzen darf.
Sie dagegen bekommt Schrottaufgaben und wird ständig bekrittelt.
Dabei hat sie was drauf. Mathe war ihr Lieblingsfach an der Uni. Sie wehrt sich, arbeitet hart und hat Erfolg. Allerdings muss sie erfahren, dass Hautfarbe und Geschlecht und sicher auch ihr überbordendes Temperament ihren wirtschaftlichen Erfolg beeinflussen.
Das Leben ist f…cking teuer, sie möchte dazugehören, doch Josh zieht gnadenlos an ihr vorbei und wird zum Senior-Trader ernannt während ihr die Türen vor der Nase zugeschlagen werden.
Wie in „Harry und Sally“ im gleichnamigen Film von 1971 sind Jess und Josh wenig begeistert voneinander, doch etwas fasziniert sie aneinander und aus Abneigung entwickelt sich Zuneigung. Aus Freundschaft wird Liebe und sie starten eine Beziehung die einem Ritt auf blanker Klinge gleicht.
Jess entpuppt sich als sture Teufelin. Sie ist eine tierische Nervensäge, die den Bauklotzturm umhaut sobald er steht.
Ihr feines Gespür für den Rassismus im Alltag und in der Sprache reibt sich an ihrer Liebe zu Josh, der nur zu gern als Big Player bei den großen Jungs am Tisch sitzen will.
Alles gut? Oder?
Cecilia Rabess legt mit „Alles gut“ ihren Debütroman vor. Sie ist Data Scientist, war Associate bei Goldmann Sachs und hat als Journalistin u.a. für „Vogue“ und „The Wall Street Journal“ gearbeitet. Kein Wunder also, daß für mich ihre technical terms undurchschaubare Dingsbums waren, die ich erst googeln musste.
Fazit: Eine explosive Liebesgeschichte vor dem Hintergrund von Black Lives Matter und women’s rights. Vielen Dank für das eruptive Leseerlebnis.
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