Elke Heidenreich mag subjektive, blöde Vorurteile, die sich dann durch das Reisen in der Wirklichkeit auflösen. Vor dem Abenteuer Reise zitiert Frau Heidenreich D.H. Lawrence: „Nichts ist mehr da, was man sich ansehen könnte, alles ist zu Tode geglotzt worden“. Und trotzdem sehe ich durch die Augen dieser hochgebildeten Frau eine andere Welt.
Aber ich habe mich von ihr an die Hand nehmen lassen. Ich bin mit ihr auf jeden Kontinent gereist, zumindest durch dieses herrliche Buch, und habe gesehen, was sie gesehen hat. Einiges deckt sich tatsächlich mit Selbsterlebtem.
Bewundernswert ist diese polyglotte Kosmopolitin mit Hang zum Kirschlikör, diese umfassende Opernkennerin und belesene Provokateurin.
Paris ist der Sehnsuchtsort ihrer Jugend. Der billige Wein wird im Nachhinein süß, denn süß ist die Erinnerung. Himmlisch befreiend ist die Beschreibung der Frauenbadeanstalt in der Schweiz.
Auch sie hat Michelangelos Pietà sofort mit ihrer Traurigkeit umschlossen, damals als sie noch nicht hinter Panzerglas war im Petersdom. Das geht ans Herz, besonders wenn man dieses Gefühl schon geteilt hat.
So gibt es in diesem Buch „Ihr glücklichen Augen“ viele anrührende Geschichten. Sie bleibt darin authentisch, wirkt manchmal mehr großspurig als weltgewandt und auch mal bemüht jugendlich. Heidenreich beeindruckt mit Fremdsprachen und wunderbaren Zitaten internationaler Künstler. Bei mir entsteht Neid, weil ich versucht bin, mein normales Leben mit ihrem bunten zu vergleichen.
Eine homogene Erzählweise gibt es in diesem Buch nicht. Manchmal agitiert sie, greift an und dann wieder lässt sie mich den Blick beschämt senken, weil ich mich wie ein heimlicher Zaungast vorkomme, der etwas gesehen hat, was verborgen bleiben sollte.
Ihre Wegbegleiter sind heute oft verstorben. Das gibt den Geschichten etwas Einzigartiges und Nicht-Wiederholbares und lässt die Leser*innen melancholisch zurück.
Das Buch ist ein Geschenk für bibliophile Entdecker*innen und tausendmal besser als jeder Reiseführer. „Ich betrachte das Leben als eine Herberge, in der ich verweilen muss, bis die Postkutsche des Abgrunds eintrifft“ (Pessoa).
Ich spreche hier meine unbedingte Leseempfehlung aus.