„Die Jahre“ von Annie Ernaux

„Die Jahre“ von Annie Ernaux

„Wie das sexuelle Verlangen ist auch die Erinnerung endlos. Sie stellt Lebende und Tote nebeneinander, reale und imaginäre Personen, eigene Träume und die Geschichte.“

Dieses Buch ist im wesentlich autobiografisch vom Leben der Autorin Annie Ernaux geprägt, die in dieser eine Chronologie in kurzen Pics die französischen Geschichte,  Politik und gesellschaftliche Veränderungen Frankreichs mit ihrem Leben verbindet.

Charakteristisch für ihren Schreibstil ist, dass Ernaux  in „Die Jahre“ fast gänzlich das „Ich“, bevorzugt aber auch das „Wir“ und bezieht sich oft auf sie selbst als „sie“.

Sie schafft keine vollständigen Bilder, es sind Schlaglichter aus einer vergangenen Zeit. Erlebnisse einer jungen Frau, die herausgerissen aus dem Kontext nackt präsentiert werden.

Die Geschichte fließt wie ins Wasser geworfene Filmschnipsel an mir vorbei. Manchmal halte ich inne. Schaudere oder erfreue mich an der Geschichte hinter der Geschichte.

Über mir schlägt der Strudel von wohlgesetzten Worten zusammen, reißt mich weiter, bannt mich wie ein Voyeur, der durchs Schlüsselloch sieht. Furchtbares, Nettes, Belangloses, Wichtiges aber doch nur ein kurzer Fliegenschiss der Geschichte.

Kurz ergreift sie mich. Das Bild einer Frau, die sich die Kaffeemühle zwischen die Oberschenkel klemmt. Ich sehe meine Vergangenheit, die Großmutter in ihrer Kittelschürze,

Ich höre das mahlende Geräusch und kann den Kaffeeduft riechen, als sie die kleine Schublade mit dem gemahlenen Pulver herauszieht.

Das ist das wirklich Großartige an diesem Buch. Es bringt verlorene Gefühle zurück. Zwar flüchtig, aber immer bedeutungsschwer.

Ein literarischer Hochgenuss.

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