„Gedichte für ein gutes Leben“ herausgegeben von Dirk von Petersdorff

„Es ist Unsinn, sagt die Vernunft – Es ist, was es ist, sagt die Liebe (Erich Fried) Seite 54

Schon im Vorwort verrät Dirk von Petersdorff, warum eines seiner Kapitel den hübschen Titel „Menschenkenntnis“ trägt. Und nein, nicht, weil er alle Menschen dieser Erde persönlich zum Kaffee eingeladen hätte. Sondern weil Gedichte uns Türen öffnen: zu anderen Köpfen, anderen Herzen, anderen Arten zu fühlen, zu denken, zu lieben.

„Gedichte sind keine Ratgeber… aber sie bereichern ihre Leserinnen und Leser.“ (S. 8)

Und da hat er einfach recht.

In dieser von Petersdorff zusammengestellten Gedichtsammlung tummelt sich dann auch die Crème de la Crème der Lyrik: Brecht, Rühmkorf, Lessing, Tucholsky, Friederike Mayröcker, Sarah Kirsch und einige mehr. Ein ganzes literarisches Klassentreffen.

Und ja, auch John Maynard ist dabei. Dieses Schulklassiker-Schwergewicht, das vielen noch irgendwo im Hinterkopf herumsegelt.

Der furchtlose Steuermann, der mit seiner „Schwalbe“ über den Eriesee schießt, Gischt wie Schneeflocken um den Bug. Fontane hat’s gedichtet, wir haben’s gepaukt, ganze zehn Strophen lang.

Von Marie von Ebner-Eschenbach kommt eine kleine, feine Lebensweisheit:

Magst den Tadel noch so fein,

noch so zart bereiten,

weckt er wieder Streiten.

Lob darf ganz geschmacklos sein,

hocherfreut und munter

schlucken sie’s hinunter.

Na? Kommt das irgendwie bekannt vor?

Natürlich geht’s in dieser herrlichen Sammlung auch um alles, was das Herz sonst noch so umtreibt: Liebe, Natur, Leben, Sterben. Und um die große Kunst des Ausschlafens!

Mascha Kaléko hat dazu schließlich die einzig richtige Haltung:

Mir ist es vor Frühaufstehern immer bange.

… Das können keine wackern Männer sein:

Ein guter Mensch schläft meist gern und lange.

– Ich bild mir diesbezüglich etwas ein…

(Mascha Kaléko)

Wer nicht fehlen darf in dieser Runde, der gute Alte, unser aller Goethe ruft kurz und klassisch:

Warte nur! Balde

Ruhest du auch.

Dirk von Petersdorff, Professor für neuere deutsche Literatur in Jena und einer der klügsten Lyrikkenner weit und breit, hat hier ein Büchlein zusammengestellt, das sich wirklich sehen lassen kann: eine außergewöhnlich schöne Mischung aus alten Schätzen und modernen Stimmen.

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