„Die Bärin“ von Daniela Chmelik

„Er wollte nur die positiven Seiten meines Lebens anzapfen, nicht die beschwerlichen, nichts mit Verbindlichkeiten.“ Seite 12 

Daniela Chmeliks Die Bärin ist ein sprachlich und emotional forderndes Kammerspiel über Liebesverlust, Selbstzerstörung und weibliche Wut, die sich eher frustriert als kämpferisch zeigt. 

Dinah, 40, wird nach sechs Jahren offener, aber unausgewogener Beziehung verlassen und fällt in ein Loch, das sie mit Psychopharmaka, Zigaretten, Alkohol und endlosen inneren pre- und postmenstruellen Monologen auffüllt. Sie hat Freundinnen, eine Therapeutin, Optionen aber sie ignoriert jede ausgestreckte Hand. Dinah möchte, so scheint es, ihren Schmerz nicht überwinden, sondern auskosten, ja sich darin suhlen.

Dinah schreibt dem Ex immer wieder, holt sich eine verbale Ohrfeige nach der nächsten ab, klagt, leidet, denkt an Selbsttötung. Man möchte sie schütteln. Der Roman zwingt seine Leser*innen in ein Hamsterrad der Selbstbespiegelung, das ebenso konsequent wie unendlich ermüdend ist.

Stark hingegen ist die Metamorphose zur titelgebenden Bärin.

Dinah kauft einen Bärenfell-Overall und spricht plötzlich über sich in der dritten Person. Ein raffinierter literarischer Kniff, der Distanz schafft, Härte behauptet oder vielleicht doch nur eine Metapher für den Rückzug in einen doch nur einen Winterschlaf ist.

Chmeliks Sprache aber ist das eigentliche Zentrum dieses Romans. Sie poetisiert das Leiden und erschafft eine Protagonistin, die in wortschöpferischen Arabesken Halt sucht. Chmelik macht sie zu einer „Sprachbildhauerin“, einer „Wortzauberin“: 

„Insel, Isola, Isolation, Eiland, Alleinland“

So modelliert Chmelik Begriffe, bis sie zu emotionalen Landschaften werden. Dieser Roman ist ein sprachlich üppiger Raum, eng, aber reich ausgestattet, bedrückend, aber kunstvoll.

Weniger überzeugend fügt sich der feministische Diskurs in die Handlung ein. So wichtig die Themen sind wie: mangelnde politische Mitbestimmung von Frauen in Politik und Wirtschaft, Ungleichheit in Medizin und Kultur, historische Ausblendung von Frauen, so lose sitzen sie im Gefüge des Romans. Eher wie ein intellektueller Aufsatz, der über das Liebesdrama gestülpt wurde, statt aus ihm herauszuwachsen.

Persönlichen Männerhass verbinde ich nicht mit dem Wort Feminismus.Vielleicht liegt diese Einschätzung aber auch an meiner kulturellen Ostprägung. 

So bleibt Die Bärin ein widersprüchliches Buch: auf der einen Seite ein ästhetisch kraftvolles Werk mit einer Autorin, die knallharte Worte findet; auf der anderen Seite eine Protagonistin, deren masochistische Endlosschleife die Geduld strapaziert.

🐸 Mehr Rezensionen: ,