„Ältere Damen sind Feldherren am Herd“ S. 12
Es gibt Bücher, die nicht nur Geschichten erzählen, sondern die gestrige und heutige Gesichter sezierend freilegen.
Emeli Glaser, Journalistin und Podcasterin, gelingt mit ihrem Band Rahnsdorf Ripper genau das. Sie stellt eine Sammlung von Männer-Porträts vor, die so scharf beobachtet sind, dass sie gleichzeitig belustigen und bedrücken.
Ihre „Männer-Geschichten“ sind keine Heldensagen, sondern Sittengemälde im Kleinformat. Familienväter, Wendeverlierer, Provinz-Kings, die sich für Alpha-Tiere halten.
Glaser zeichnet sie nicht in heroischem Öl, sondern in spöttisch funkelnden Federstrichen. Das Patriarchat erscheint hier als Auslaufmodell, oft lächerlich, manchmal grotesk, dann tragisch. Und immer allzu vertraut.
Da ist Frank, der Michelin-Jäger aus Neuenhagen, dessen Küche mehr Studio als Heim ist, während Frau und Tochter längst aus seinem Blickfeld verschwunden sind. Aus der Episode „Lavakuchen“ tropft keine Schokolade, sondern bittere Ironie: Hochglanzträume zerfallen, sobald man hineinbeißt.
Oder Heiko, 53, selbsternannter Playboy mit Zopf und Audi, der den Osten verachtet und doch selbst ein Fossil seiner Männlichkeitsfantasien ist. In seiner Pose steckt die ganze Komik des verkrampften Begehrens, das sich selbst zum Auslaufmodell degradiert.
Am bittersten vielleicht Carsten Radunski. Einst Fan von Ilja Richters „Disco“, dann Mitläufer im DDR-System, später Strippenzieher im digitalen Kommentarbraun. Glaser zeichnet ihn als wandelbare Figur der Opportunität. Ein Mensch, der immer nur mit der Strömung schwamm, egal ob im Stasi-Meldewesen oder in den rechten Echokammern des Netzes. Ein Werdegang, der schaudern lässt, wenn auch für die Boomerjahrgänge eine gewissen Nostalgie mitschwingt.
Das Raffinierte an Glasers Geschichten ist, dass sie nie platte Abrechnung sind. Sie haben Witz, Tempo und eine böse Leichtigkeit. Oft enden sie mit einem Twist, der mitten in die Magengrube trifft. Man liest sie mit einem Grinsen, das im nächsten Moment gefriert.
Rahnsdorf Ripper ist eine literarische Vermessung der männlichen Eitelkeit, so frisch wie frech, so böse wie brillant beobachtet. Wer sich in diesen Gestalten nicht wiedererkennt, kennt sicher jemanden, der ihnen erschreckend ähnelt.
Lesetipp – mit einem kräftigen Nachgeschmack.



[…] „Dieser Band ist keine späte Gedenkplatte, sondern ein Monsterbrillant aus dem Tiefsee‐Schatz der deutschsprachigen Literatur: 15 Geschichten, die zeigen,…