„…vergewaltigender Würger und Schuhfetischist mit einer Vorliebe für androgyne Frauen und teure Seidenunterwäsche.“ S.117
Ein Mann läuft durch das Tunnelsystem der Kanalisation unter der Stadt Köln. Er ist bereit Mitzi zu treffen. Für sie hat er alles vorbereitet und er freut sich schon auf die Jagd.
Die düstere und unappetitliche Location sowie der Begriff der Jagd lassen schon dunkle Vorahnungen aufploppen.
Hier ist psychologisch was im Argen. Ein dunkles Gefühl breitet sich langsam aus.
So beginnt der neue Psychothriller „Verlorene Seelen“ der Autorin Eva Geßner. Er führt den Leser in eine Schattenwelt, die neben der unsrigen besteht. Manchmal streifen wir sie mit kurzen Blicken, doch zu oft sehen wir sie nicht oder schauen weg.
Unser Psychokiller schaut hin. Denn er findet seine Opfer unter den Schwächsten der Gesellschaft. Den obdachlosen Frauen und Prostituierten. An ihnen lebt er seine perversen Fantasien aus.
Doch bald reichen ihm einfache Vergewaltigungen nicht mehr. Sein Modus Operandi verfeinert sich. Fetische wie rote Negligé’s und Pumps kommen dazu. Und er wird immer brutaler.
Die Polizei findet an den Tatorten gemarterte und zu Schau gestellte Frauen. Den Leichen fehlt ein Schuh samt Fuß.
Die Kriminalkommissarin Franziska Frey ahnt sofort, dass sie es hier mit einem Serientäter zu tun hat und das es Spuren aus der Vergangenheit geben muss.
Diese gibt es tatsächlich und sie führen von Köln ins Ruhrgebiet und von dort in alte Grubenschächte.
Insgesamt wird der Psychothriller in drei sich abwechselnden Handlungssträngen erzählt. In einem begleiten wir die attraktive Betty. Sie ist obdachlos und mit ihrem Hund Loki auf der Flucht.
Geflohen ist sie vor ihrem prügelnden, narzisstischen Ehemann auf der Straße gelandet.
Als zwei Typen sie nachts vergewaltigen wollen, taucht ein großer Mann auf und hilft ihr.
Wollf ist auch ein Obdachloser. Doch er hat ein Camp gegründet. Dort gibt es Regeln und Schutz. Betty zieht ins Camp, doch Sicherheit ist auch dort nur eine Illusion.
Sehr eindringlich beschreibt die Autorin das harte Leben auf der Straße. Besonders für Frauen ist jeder Tag die Hölle und jede Nacht ein Überlebenskampf. In ihrem Epilog geht die Autorin noch einmal dezidiert auf das Thema ein.
Fazit: es kann jeden und jede treffen.
Die Autorin gibt in ihrem Psychothriller Details nur Stück für Stück preis, das erhöht die Spannung stetig. Der Spannungsbogen ist immer gespannt, die Story wird schnell erzählt und manchmal vergisst man tatsächlich das Atmen.
Der Mörder wird entlarvt, doch das tut der Spannung keinen Abbruch, denn jetzt ist der Einsatz erhöht und betrifft die Ermittler persönlich. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt.
Beeindruckend fand ich die Szenen in der Rechtsmedizin, sauber recherchiert und toll aufbereitet!!!
Und das Profiling von Franziska, Tessa und Fritz. Alle Achtung! Der Aha-Effekt ist sehr gelungen.
Dagegen war die Erklärung, weshalb Mörder und Co. zu solchen Psychopathen wurden etwas dürftig angelegt.
Allerdings denke ich, dass die Autorin ihren Fokus mehr auf die Opfer, denn auf die Täterseite setzen wollte.
Man darf gespannt auf eine Fortsetzung der Reihe sein, denn der Epilog lässt viele denkbare Möglichkeiten zu.
Vom Härtegrad bekommt der Psychothriller eine 3 bis 4. Mann kann ihn also noch ohne Alpträume zu riskieren Abends im Bett lesen.