„Wenn das Licht angeht, ist keine Zeit für Schmerz und keine Zeit für Tränen.“ Seite 228
Die Autorin Marina Barth ist Kabarettistin und seit 2001 Chefin des Klüngelpütz-Theaters in Köln. Ihr Leben und Wirken in Köln hat sie zum Buch „Am Kronleuchter hängen wir nicht -Wie Trude Herr die Welt sah“ inspiriert .
Trude Herr – diese kleine, große Frau ist einigen vielleicht durch ihre Lieder oder die Filme mit Heinz Erhardt wie „Natürlich die Autofahrer“ bekannt.
Trude Herr war eine Größe im Kölner Karneval. Dort ging’s als zweite Frau in die Bütt.
Sie hat in über 30 Filmen mitgespielt, war selbst Eigentümerin eines Volkstheaters, hat Stücke geschrieben und Dokumentarfilme gedreht.
Ihre Schlager „Ich will keine Schokolade“ „Morgens bin ich immer müde“ oder „Niemals geht man so ganz“ waren absolute Hits und sind noch heute bekannt.
Sie war die nette, anständige Dicke und Ende der 50-ziger dick im Geschäft.
Sie drehte manchmal 7 Filme in einem Jahr und jeder wollte mit ihr eine Platte machen.
Doch ihre einzige Liebe waren die Zigaretten, die sie verheimlichen musste und Schokolade bzw. generell gutes Essen.
Sie trug blöde Hüte, machte alberne Verrenkungen und wurde vorgeführt als doofe Dicke.
Damit verdiente sie in dieser Zeit stattliche 60.000 Mark im Jahr. Doch die Unterhaltungsindustrie schliff sie durch und dafür zahlte sie einen hohen Preis.
Nikotinsucht, Stress und viele Tabletten sowie ihre Körperfülle machten sie krank. Die Filme wurden seichter, es folgt Verriß auf Verriß. Die Presse überschüttet sie mit Häme. Sie wurde, was sie nicht sein wollte, die Klamauknudel.
Sie brauchte eine Auszeit und fährt mehrmals in die Wüste. Die raue Landschaft inspiriert sie und sie lädt ihre Batterien wieder auf.
Trotz des geschäftlichen Erfolgs hatte es die Dicke mit dem frechen köllschen Mundwerk nie leicht.
Sie wuchs in armen Verhältnissen auf. Der Vater wurde als Kommunist ins KZ gesperrt und die Mutter versuchte ohne Beruf die 3 Kinder allein durchzubringen.
Trude, die Jüngste, träumte schon früh von der Schauspielerei. Ihr Traum, einmal am Schauspiel in Köln eine ernste Rolle zu spielen, bleibt ihr lebenslang versagt.
Doch als Volksschauspielerin gelingt ihr eine großartige Karriere.
Die Autorin Barth macht in ihrem Buch die Künstlerin Trude Herr jenseits der Schablone einer dicken Ulknudel sichtbar.
Sie war eine Kämpferin, die viel Licht aber auch viel Schatten erlebt hat.
Sie konnte übermütig laut aufdrehen, feiern, schlemmen und im Luxus leben. In allem sah sie zuerst den Witz und hatte Freude ihr Publikum damit zu überraschen.
„Ich bin Medea mit den Zauberkräften. Besser du hast mich nicht zum Feind. Seite 226
Aber sie war auch die Empfindsame und Verletzliche. Die die ewig Pech mit Männern hatte, ausgenommen, hintergangen und verraten wurde.
Immer wieder haderte sie mit ihrem Aussehen.
Sie stand mit Tränen in den Augen oder todkrank auf der Bühne, denn da gehörte sie hin. Da begeisterte sie Zeit ihres Lebens die Massen.
Dieses Buch, dass auch im O-Ton die Künstlerin selbst zu Wort kommen lässt, erfasst präzise ihren Sound und bringt uns die Künstlerin als Menschen nah.
Es erfasst die Zerrissenheit, den Zweifel am eigenen Können der Herr aber auch ihr Geltungsbedürfnis, ihre Wut bei Herabsetzung und ihre Durchsetzungskraft.
Dieses Buch, welches in seinem Stil an ein Tagebuch mit sehr persönlichen Statements erinnert, beleuchtet auch immer das Leben der Trude Herr
im geschichtlichen Kontext. Die Herr war wohl SPD Mitglied, doch öffentlich äußerte sie sich politisch kaum.
Sie wollte, dass ihr Publikum eine Auszeit von seinen Problemen nimmt und einfach lacht.
Sehr gern empfehle ich diese Biografie, weil sie dazu verleitet genauer hinzusehen, authentisch ist und die Kunstfigur Trude Herr als Menschen erfasst.