„Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann

„Perfektes Blau spannt sich über den Rand der Heide. Fast unwirklich, wie aufgemalt wirkt die Landschaft, in Gänze von einem violetten Blütenteppich überzogen.“ Seite 277

Mit „Von Norden rollt ein Donner“ von Markus Thielemann bekommen wir es mit einer in einem geschichtsträchtigen Heimatroman verpackten Spuckgeschichte zu tun.

Das Buch kommt düster daher. Das Wetter ist ungemütlich regnerisch, Donner grollt herauf wie die Ankündigung eines nahenden Unglücks. Unruhe macht sich bei dem jungen Schäfer Jannes und seiner Herde breit. Er meint Trittspuren und Schatten von Wölfen zu sehen. Ein noch nicht fassbares Bedrohungsszenario, breitet sich wie ein düsterer Klangteppich über der Geschichte aus. 

Die Beschreibung der kargen Landschaft, die nur in den Herbstmonaten ein herrliches lila Kleid trägt, gelingt bravourös. Doch leider trügt das Idyll von der unberührten Natur.

Da sind die Truppenübungsplätze der Bundeswehr, deren Geschützdonner oft die Stille der Heide zerreißt. Da ist die Waffenfabrik Rheinmetall, die die Kriege dieser Welt befeuert und da sind Ruinen als stumme Zeugen einer schlimmen Vergangenheit.

Es sind die Reste eines Frauenlagers. Frauen, die hier als Kriegsgefangene Waffen für Rheinmetall bauen mussten, die vielleicht im angrenzenden KZ Bergen Belsen getestet wurden. 

Und dann gleich neben der düsteren Vergangenheit, frohlockt die Moderne. Der Tourismus mit seinen Heide-Spaßparks, Serengetiezoos, Kutschfahrten und dem ganzen lärmendem Wandervolk, dass konsumierend durch die Landschaft pflügt.

In diesem Spannungsfeld von Tradition und Moderne lebt die Schäferfamilie Volker nach alter Tradition. Sie züchten Heidschnucken, ziehen mit den Herde übers Land, den Schäferstock in der Hand und sorgen mit ihren Tieren für die Erneuerung der Landschaft.

Der Jüngste in der Familie ist Jannes. 

Der Neunzehnjährige hat seine Schäfer-Ausbildung beendet und arbeitet so traditionell wie Eltern und Großeltern. Ob er das für sich so wollte, diese Frage stellt er sich manchmal, denn so wirklich glücklich scheint er nicht.

Fehlte es ihm nur an Ambitionen und Träumen, fühlte er sich der Familie verpflichtet oder war er einfach nur bequem? Es ist wohl von jedem etwas. 

Problematisch wird es auf dem Hof, als nach der an Demenz erkrankten Oma auch noch der Stiefvater Friedrich erste Anzeichen dieser Erkrankung zeigt. Er zieht sich von der Hofarbeit zurück und steigert sich wahnhaft in Wolfssichtungen anderer Gegenden.

Doch der Stiefvater bleibt nicht der einzige, der von Geistern heimgesucht wird.

Nach einer durchzechten Nacht mit seinen Kumpels erscheint Jannes zum ersten Mal eine Art Waldfrau. 

Mit jeden Erscheinen wird absehbarer, dass hier eine ungesühnte Tat aufgedeckt werden muss, damit sie Frieden finden kann. 

Zum Teil finden sich hier Elemente aus dem Genre des Horror. Nicht  unbedingt so heftig wie bei einem Stephen King, denn es geht nicht um blutige Rache. Es geht vielmehr um Wahrheit und die Auflösung der Wahrheitssuche versöhnt mich dann auch schlussendlich etwas mit dem Roman.

Was hat mich gestört? Mir persönlich werden hier zu viele Themen eröffnet und dann vernachlässigt. Deutschtümler, Waffenhersteller, Zweiter Weltkrieg, Selbstjustiz, Abwanderung junger Leute aus der Heide… und und und. 

Manche Geschichten, wie das Osterfeuer, werden in epischer Breite erzählt und enden als dünne Rauchsäule fast ohne Pointe.

Der Epilog ließ mich dann völlig perplex zurück. Mit schien, der Autor hatte noch Wörter übrig, die er durch einen Mixer jagte und dann wild auf dem Papier verteilte.

Hier bin ich wirklich gespannt, ob der Roman es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2024 schafft.

Erschienen ist das Buch im C.H.Beck Verlag, 

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