„Dünne Wände“ von Sidik Fofana

„Wir würden in Villen wohnen, wo Brause aus dem Hahn kommt. Dann steig ich aus ner Limousine, mit Nerzmantel und schwarzen High Heels, die beim gehen nach Ruhm klingen.“ Seite 145

Sidik Fofana erzählt in acht miteinander verwobenen Geschichten von einer Zufallsgemeinschaft in der Wohnsiedlung Banneker Terrace an der 129 Ecke Fred Doug in Harlem.

Es sind Geschichten von einfachen Menschen, schwarzen Menschen, die fast alle nicht auf der Gewinnerseite des Lebens stehen. Manche wollen raus aus der Siedlung aus der Armut. Andere wollen einfach nur bleiben und in Ruhe leben, denn das ist ihr Zuhause.

Ihr Block wurde verkauft, seit Geld in der Stadt ist und Harlem interessant wird für Spekulanten und Immobilienhaie.

Die soziale Ungleichheit verschärft sich und die ursprüngliche Bevölkerung und deren Kultur fällt dem schnöden Mamon zum Opfer.

Die Gentrifizierung droht die ehemaligen Bewohner der Banneker wie eine Lawine zu überrollen. Schon 20 haben die Aufforderung zur Räumung erhalten.

Sie werden verdrängt, denn trotz mehrerer Jobs sind sie nicht in der Lage sich die Miete zu leisten.

So geht es Murray. Der alte Mann sitzt seit Jahren täglich auf dem Gehweg. Er baut sein Schachbrett immer an der gleichen Stelle auf und wartet auf Leute, die eine Partie mit ihm spielen wollen. Doch mit dem neuen Restaurant ändert sich alles. Er wird vertrieben, stört mit seinem Anblick die gegenüber speisende, lukrative Kundschaft.

Oder wir lesen von Mimi, die sich als Kellnerin antatschen lassen muss für ein wenig Trinkgeld, nebenbei die Haare afrikanischer Frauen frisiert und trotzdem nicht über die Runden kommt mit ihrem gesundheitlich, beeinträchtigen Sohn.

Oft sabotiert sie sich selbst, schmeißt das hart verdiente Geld für sinnlose Luxusartikel raus um sich diesen einen Moment besser zu fühlen, sich abzugrenzen von der Armut der anderen.

Andere prügeln auf noch Schwächere ein, klauen oder tanzen in der U-Bahn.

Der Autor Sidik Fofana arbeitet als Lehrer in Brooklyn. „Dünne Wände“ ist sein Debütroman und was für einer.

Er findet in jeder Geschichte eine neue Sprache. Durch sie bildet er seine wechselnden Protagonisten wie auf einem unverwechselbaren Passbild ab.

Da ist der schwarze Sound der Straße, der die Leute sozial stärker kennzeichnet als ihre Tiger- und Neonklamotten.

Da ist das Mädchen, welches die Chance auf Bildung und eine Zukunft hatte, die sich auszudrücken weiß und der diese Abgrenzung zum Verhängnis wurde.

Und dann dieser Brief. Geschrieben von einem Kind, dass ein furchtbares Ereignis darin verarbeitet. Er strotzt nur so vor Fehlern und diese berühren fast mehr als das Ereignis selbst, denn es zeigt die Chancenlosigkeit der nächsten Generation.

Was all den Geschichten innewohnt, sind nicht nur die harten Töne, hinter der sich die Akteure wie hinter einer Mauer verschanzen. Es sind die mikrokleinen Sätze, fast nebenbei geäußert, die den Menschen und seine Menschlichkeit, sein Ängste, Verletzungen und Träume zeigen.

Das Cover zeigt eine Häuserfront mit verschlossenen Fenstern. Bei einem Fenster ist ein Spalt offen. So wie bei diesem Buch, dass einen Spalt öffnet, damit wir die Geschichte dieser Menschen sehen, damit wir diese Menschen sehen.

Großartig und eine Leseempfehlung nicht nur für alle die New York Romane lieben.

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