„Das Wort, das mir immer mehr Angst machte als Krankheit, Unglück und Trennung ist das Wort Abhängigkeit.“ Seite 12
Was für eine Freude.
Ich halte das Büchlein „ Altern“ von Elke Heidenreich in den Händen und kann kaum erwarten endlich loszulesen.
Wie ein Kind möchte ich den Mund öffnen und es wie einen dicken Karamellbonbon ganz verschlingen.
Ehe ich einen Satz ganz gelesen habe, bestaune ich schon den nächsten, dann lasse ich ein Zitat über meine Zunge rollen und fixiere es mit einem bunten Post-it.
Ich möchte dieses Buch für mich ganz allein besitzen, ich gebe nichts ab, bevor ich mich nicht richtig daran sattlesen habe.
Denn, die so von mir Verehrte ist wieder voll in ihrem Element. Die junge Alte, die Heidenreich. So frisch im Kopf, so witzig und resolut mit ihrer oft streitbaren Meinung und ihrem enzyklopädischen Wissen in Sachen Literatur.
Sie rekapituliert schnörkellos ihr Leben und das Ihrer Generation und kommt zu dem Schluss, dass sie es nicht verkackt haben mit dem Klima. Das sie etwas bewirkt haben und nicht einfach nur kleben geblieben sind.
Sie nimmt uns mit durch alle Wetterlagen des Alters. Da ist die Kälte der Einsamkeit und Armut, dort der orangerote Sonnenuntergang der stillen Harmonie und inneren Einkehr.
Aber auch der luftige Wind, der noch ein Blättchen an manche Orte trägt, fern vom Sturm vergangener orkanwilder Partynächte.
Der Nebel, der aufzieht und das Gehirn umflort, entpuppt sich manches Mal als Segen, denn Milde zieht ein. Doch er kann auch verschlingen, was von einem noch übrig ist.
Auch das Gewitter hat seinen Platz, denn weshalb sollte, was einmal streitbar war, jetzt mild werden? Auch Alte sind böse und schicken Blitz und Donner auf uns herab.
Zum Schluss ein Frühlingslüftchen, das einen Duft mit sich führt, der ganz ungefragt eine Erinnerung heranträgt: „was für wunderbare Schränke öffnen sich da!“ S.103
Die Autorin, trägt all die schönen und grausamen Zitate über das Altern in diesem Büchlein zusammen.
Sie bezieht Position gegen Tablettenschachteln und Jammerei, gegen Schönheits-OP‘s, Verzagtheit, Work-Life-Balance, Nichtstun oder geistige Rente und „das orangefarbene, manierenlose Scheusal aus den USA“. Sogar Obama bekommt sein Fett weg.
Doch bei all dem Streitbaren, bleibt uns allen eins gemein. Alt werden betrifft uns alle. Kronos ist unbarmherzig und ohne Ansehen der Person verwandelt er „Sweet little sixteen“ in “When I’m Sixty-Four”.
„Das Leben ist keine Generalprobe, es ist immer die Sache selbst.“
Einen zweiten Versuch gibt es nicht. Also, und das macht sie uns vor, lebt jetzt, sonst ist es zu spät.
Meine Zukunft ist nur noch kurz, aber meine Erinnerungen wandern zurück und zeigen mir die Straßen, die ich schon gegangen bin, und ich verstehe den Sinn meines Lebens“ Seite 103 sagt die 81jährige.
Und : „Alles über sechzig ist ein Geschenk“ Seite 17
Ein ganz wunderbares Buch, wie ich finde, dass ich sicher noch oft zur Hand nehmen werde.
Dieses Projekt „Das Leben lesen“ – 10 Bücher über die 10 wichtigsten Themen des Lebens“ vom @hanser ist eine wunderbare Idee.