„Tiere“ von Gijs Wilbrink

„Erva oder Arwa hieß sie, ich glaube Erva, singsangsüß arabisch oder bosnisch oder so was, aus einer Ecke der Welt, von der Leute wie ich, die nie irgendwo waren, nur singsangsüß träumen durften ich fand den Namen prachtschön, ein Name, den man fast riechen konnte, wie duftendes Obst, ein Name, den ich noch nie zuvor gehört hatte, wie ich all ihre Namen noch nie zuvor gehört hatte.“ Seite 425

Der Roman erzählt die Geschichte von Isa Keller, einer jungen Frau, die versucht, ihrer dysfunktionalen Familie und den bedrückenden Verhältnissen ihres Heimatdorfes zu entkommen.

Nachdem sie von der mysteriösen Vermisstenmeldung ihres Vaters erfährt, kehrt sie nach Hause zurück.

Diese Rückkehr zwingt sie, sich nicht nur mit der gegenwärtigen Krise, sondern auch mit ihrer belasteten Vergangenheit auseinanderzusetzen.

Isa ist die Tochter von Tom, der bei einem Unfall ein Bein verloren hat und seitdem dahindämmert, und Maureen, einer vom Leben enttäuschten Frau, die ihre Familie mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält.

Die Familie Keller, zu der auch der gewalttätige Patenonkel Scharrel gehört, lebt am Rande des Dorfes und wird von den Dorfbewohnern gemieden und gefürchtet.

Scharell oder Charles betreibt eine illegale Nerzzucht, was zusätzliche Spannungen und moralische Konflikte erzeugt.

Die Kellers werden gemieden. Bis der Hof der Quälgeister hat einen Gequälten hervorbringt, der die Träume eines ganzen Dorfes wahr macht.

Doch dann wird dieser zum Versager, der das ganze Dorf wieder in seine Bedeutungslosigkeit zurückgestoßen hat. Die Onkel sind Tiermörder, Verbrecher, Berserker und verbreiten Angst Schrecken. Der Opa sitzt lebenslang im Knast.

Wilbrinks Erzählweise ist geprägt von einer starken Detailtreue und einem tierisch-realistischen Blick auf die ländliche Umgebung und die sozialen Missstände. Er scheut sich nicht, unangenehme und brutale Aspekte des Lebens offen darzustellen, was dem Roman eine intensive und manchmal bedrückende Wirkung verleiht.

Der Roman baut geschickt Spannung auf, indem er nach und nach die dunklen Geheimnisse der Keller-Familie und die wahren Umstände des Unfalls, bei dem Tom sein Bein verlor, enthüllt. Diese Enthüllungen so schockierend sie auch sind, tragen wesentlich zur Dynamik der Handlung bei.

Obwohl man im Vorfeld bereits etwas ahnt, denn Andeutungen gibt es viele, will man nichts davon wahrhaben. Diese Verleugnung hat ihren nicht zu unterschätzenden Reiz.

Dem Autor gelingt es, die inneren Konflikte und Emotionen seiner Figuren authentisch darzustellen. Isa, als Hauptfigur, wird in ihrer Zerrissenheit und ihrem Streben nach Selbstfindung glaubwürdig und tiefgründig porträtiert.

Sie, das morphiumsüchtige Baby, dass ohne die geringste Chance auf Normalität und Liebe in diesem düsteren Ort hineingeboren wurde, wendet das Schicksal.

„Die Welt lässt sich unterteilen in Drogenabhängige und Revolutionäre, dazwischen gibt es nichts.“ Seite 21

Fazit:

Der Roman besticht durch seine dichte, packende Erzählweise und die fein gezeichneten Charaktere.

Isa, als verzweifelt-rebellische Hauptfigur, wächst schnell ans Herz.

Wilbrink thematisiert zudem die Rückständigkeit der Provinz, das Aufbegehren der jungen Generation zwischen echter Botschaft und tiefer Drogensucht in einem intensiven Setting, was dem Buch eine zusätzliche soziale Dimension verleiht.

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