„Ständig, geriet sie in komplizierte Situationen, trat in die Scheiße, die an ihr haften blieb. Und schmierte sie dann auch noch an den anderen Schuh.“ Seite 206
Kerstin Wischnewski ist Reinigungsfachkraft und beinahe zweite Vorsitzende des Zuckertütchenvereins sowie heimliche Schokoholikerin. Obwohl sie jeden Putzkniff kennt, versinkt sie zu Hause in Kisten und Kartons, die ihren winzigen Lebensraum noch mehr beengen.
Tägliche Geldsorgen manifestieren sich in Form von gelben Briefen und die Sorge, dass der Geldautomat die Scheckkarte frisst, ist auch nicht unbegründet. Außerdem gehört der altersschwache Twingo längst aufs Altenteil und Rücken und Kniegelenke würden dringend eine Kur benötigen.
Da ihr einige Aufträge weggebrochen sind, steht Kerstin kurz davor ihre Selbständigkeit aufgegeben zu müssen und wieder für den Mindestlohn zu schuften.
Da kommt das Angebot ihrer Kollegin Erika von ihr spezielle Stammkunden zu übernehmen quasi in letzter Minute.
Sie übernimmt ein Reihenhaus samt einer antiautoritär erzogenen Kinderschar.
Eine Villa in der sie im Hausmädchenkostüm und Lackschuhen putzen muss. Ein Atelier, das dem Herrn der Fliegen gehören könnte und eine Büroetage, deren Arbeitskräfte am liebsten nicht mit ihr konfrontiert werden möchten. Unsichtbarkeit wäre hier ein willkommene Begabung.
Die Autorin Julia Hoch schildert sehr warmherzig in ihrem Roman die Erlebnisse der Putzfrau Kerstin mit ihren Arbeitgebern. Man fühlt sich wie in einer Sitcom.
Da gibt es Büroangestellte, die denken, dass Putzfeen wirklich existieren. Sie hinterlassen mysteriöse Flecken, die selbst CSI nicht erklären könnte, und erwarten, dass diese mit einem Lächeln und einem Zauberstab wie von selbst verschwinden.
Egal wo sie arbeitet, sie entwickelt Superkräfte: Adleraugen für Staubkörner und die Fähigkeit Haustiere zu retten. Ein Müllchaos aus Schimmelkulturen samt seines infernalischen Gestankes zu ignorieren und tröstet überalkoholisierte Ehefrauen.
Hätten die Reinigungskräfte, die uns unsere unliebsamsten Arbeiten abnehmen nicht auch irgendwann eine Anerkennung verdient? Diese Frage stellt Kerstin sich völlig zu recht.
Denn sie ist eine Haushaltsheldin, der ein “Danke, dass du uns in unserem Chaos gerettet hast!” hinterherrufen werden müsste.
Julia Hoch wartet in ihrem Roman neben all den launigen Geschichten auch mit Tiefgang auf.
Sie erzählt, welche Träume und Sehnsüchte die Protagonistin hatte. Das Reinigungsfachkraft nicht das Ziel ihres Daseins war und fast schon philosophisch die Frage aufwirft, was es denn eigentlich ist.
Ich mochte diesen warmen, unverstellten Blick hinter die Kulissen. Ich mochte dieses Buch, dass von den „Kleinen Leuten“ erzählt, von den Zahnrädchen ohne die sich unsere Welt nicht drehen würde.
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