„Windstärke 17“ von Caroline Wahl

„Ich dachte, wenn ich weit weg bin, dann sind die Gedanken leiser. Aber sie sind laut, und sie tun weh.“ Seite 32

Caroline Wahl beschert ein Wiedersehen mit den Schwestern Ida und Tilda aus ihrem Bestseller „22 Bahnen“.

Aber keine Bange, das Buch funktioniert auch ohne Kenntniss des Vorgängers.

Ida ist jetzt 21 Jahre alt. Sie malt nicht mehr sondern schreibt und möchte Literaturwissenschaften studieren. Sie liebt knallbunte Faben ist chaotisch, wütend und laut.

Ihre Schwester Tilda ist von Berlin nach Hamburg gezogen und hat mit Viktor (alles gesammelte Vorkenntnisse) eine Familie gegründet.

Um sich dieses Leben zu ermöglichen musste sie ihre jüngere Schwester Ida mit ihrer alkoholkranken Mutter zurücklassen.

Aus der Ferne versucht sie für Ida da zu sein, schickt Geld, macht Besuche und holt sie ab und an zu sich.

Doch zunehmend fühlt Ida sich ausgegrenzt aus dem Leben der Schwester, zurückgelassen mit der Verantwortung für die abhängige Mutter.

Als ihre Studienbewerbung abgelehnt wird, verliert sie ihren Kompass.

Die Mutter begeht Suizid. Ida findet sie in ihrem Frottee-Schlafanzug und ihr Leben löst sich völlig auf.

Haushaltsauflösung!

Lebensauflösung!

Tilda möchte Ida beistehen, doch dieses Mal sperrt Ida Tilda aus. Der Wutklumpen in ihrem Bauch wird größer und übernimmt die Ratio. Ida flüchtet auf die Insel Rügen.

Dort auf dieser Ostseeinsel setzt Caroline Wahl ihre Protagonistin den Elementen aus. Was in Ida’s Innerem tobt zeigt sich in den Gezeiten des Eilandes.

Der Sturm jault mit ihr um die Wette, richtet seine Kraft haltlos gegen alles was sich ihm den Weg stellt und natürlich steht Ida da. Kämpft im sturmtosenden Meer gegen sich aufbäumende Wellen, sucht den Tod, die Erschöfung, das Spüren.

Sich spüren nur im Extrem, taub werden. Eine gestrandete Meerjungfrau, voller Zweifel doch eine Scheißtochter gewesen zu sein.

Und dann kommen sie, diese kleinen Wolkenlücken aus denen die Sonne hervorblitzt, wie das seltene Lachen der Mutter, wie die kostbaren Augenblicke der Geborgenheit und Tilda‘s Nähe. Wie warmherziges Inselvolk die Knut und Marianne heißen.

Caroline Wahl bespielt die Klaviatur der Emotionen. Fast alle Akkorde werden in Moll angeschlagen, so verstärkt sich das Gefühl der Sehnsucht und des Verlustes.

Und immer ist diese Komposition versetzt mit aggressivem, dissonanten Stakkato, als müsste sie einem ihren Sound um die Ohren schlagen.

Das Buch reicht locker an den Vorgänger heran und ich bin sicher, es wird eine breite Fangemeide finden auch wenn hier einige Erzählstränge wie vergessenes Standspielzeug in den Dünen verwehen.

Sind das schon die Zutaten für Teil 3? Das wäre Schade, denn ich würde mir wirklich eine Entwicklung der jungen Autorin wünschen und nicht, dass sie wie Hauke Haien mit dem Deich einbricht.

🐸 Mehr Rezensionen: ,
Es sind keine Kommentare vorhanden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert