„Wellenkinder“ von Liv Marie Bahrow

„Die Stimme des alten Mannes klang nach einem Insekt, das spät im Jahr träge Runden dreht.“

Wie Flüsse die in einen Strom münden, der einen unentrinnbar mitreißt, so hat dieses Buch mich erfasst.

In den Kriegswirren des 2. Weltkrieges wird ein Kind gerettet von einem Kind.

Es darf aufwachsen mit der Liebe dieses Menschen, hineinwachsen in eine neue Zeit. Eine Zeit nach dem Krieg. Hinein in eine junge Republik, die den Anspruch hat ein Land ohne Egoismus und Eigentum zu werden.

Wie sauber und blitzeblank diese Idee doch war, diese Idee, die dann zertreten wurde unter den Stiefeln der Staatssicherheit angeordnet von einer silberhaarigen Gang starrköpfiger Alter.

Ein System, dass den neuen Menschen forderte aber die alten Gefängnisse füllte.

Hoheneck – ein Synonym für Schrecken! Wer schon einmal dieses Gefängnis besucht hat, wird es wiederfinden in diesem Buch. Er wird dort erlebt haben, dass die Schreie noch immer im Mauerkalk hängen und Bosheit durch die Flure streift, so wie Oda dies erlebt hat.

Und dann kam die Wende. Den einen lässt sie orientierungslos im Alkohol zurück, ein anderer passt sich an. Doch die Vergangenheit lässt sich nicht totschweigen. Sie steigt wie ein stinkendes Stück Kot nach oben und hebt die ohnehin nicht heile Welt des Protagonisten Jan erbarmungslos aus ihren Angeln. Woher kommt er, woher kommt dieses kleine Lied in seinem Kopf, diese Angst vor dem Meer und diese Sprachlosigkeit?

Die Autorin Liv Marie Bahrow legt hier ein deutsch-deutsches Stück Geschichte vor, dass zeigt, wozu Menschen fähig waren. Sie beschreibt das Behütende dieser Zeit ebenso wie das Zerstörerische.

Ein hochemotionaler Roman, der mich von der ersten Seite an packen konnte und mitten in mir einen dumpfen Hohlraum zurücklässt, eine ungelebte Wut und doch auch einen Hauch Jugend.

🐸 Mehr Rezensionen: ,
Es sind keine Kommentare vorhanden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert