„Die Hitze ist so schwer, dass meine Gedanken zerfließen. In meinem Kopf steht der Dunst“.
Seite 13
Der Roman ist der Versuch einer Geisteraustreibung, so beschreibt es der Klappentext.
Die Protagonistin recherchiert zur NS-Vergangenheit ihres Urgroßvaters. Der war vor und nach dem 2. Weltkrieg ein anerkannter Orthopäde.
Seine bereinigte Vita erwähnt nicht, dass er maßgeblich an Hitlers Euthanasie-Projekt beteiligt war.
Die Enkelin fährt an den Sund und auf die dänische Insel Lykke. Dort begegnen ihr die Geister der Vergangenheit und dort begegnet ihr eine Mauer aus Schweigen und Misstrauen. Fremde mag man hier nicht. Das Inselgeheimnis ist düster und eine alte Schuld hängt über den Hügeln und Amaranthfeldern.
Laura Lichtblau, der Name der Autorin klingt wie ein Gedicht. Und so schreibt diese auch. Die Sätze sind reine Poesie, kurze Absätze reihen sich aneinander wie die Zeilen eines Gedichtes.
Jeder geprägt von lyrischer Schönheit.
„Überall nasse Schafe. Überall Wolken über den Hügeln, grau und plump und ganz kurz vorm Platzen“. Seite32
Doch werden sich diese Satzschönheiten auch zusammenfinden zu einem Roman oder ist jede hier Solistin?
Das Letztere ist leider der Fall.
Ohne den Klappentext hätte ich weder erkannt worum es sich handelt noch in welche Richtung es geht. Lediglich Kapitel III macht eine Ausnahme. Hier wird akribisch beschrieben und in den zeitlichen Kontext gesetzt, was die Recherche über den Urgroßvater ergeben hat und das jagt einem kalte Schauer über den Rücken.
Dann der Faustschlag auf Seite 82
„Die inklusive Beschulung von Kindern mit Behinderung, sagt der Thüringer AfD Vorsitzende Björn Höcke, 2023 sei ein Ideologie-Projekt, von dem das Bildungssystem befreit werden müsste“.
Was bleibt sind Fragen. Warum wendet sich die Protagonistin ab von ihrem Projekt? Welche Rollen haben die Neue und das Balg? Bloße Synonyme einer Wandlung oder der Vergangenheit?
Ein Buch, dass diskutiert werden muss. Mit dem man allein nicht fertig wird, dass vielen Spekulationen Nahrung bietet und mich doch hungrig zurückließ.
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