„So wie ich bin, bin ich eben.“
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Chaos!
30 Skinheads platzen in ein Frühlingsfest und schlagen auf friedlich feiernde Menschen ein. Weshalb?
Die Menschen sind anders, queer, trans, lesbisch… Es ist 1991 und wir befinden uns in der Nähe von Ostberlin.
Nach dem Angriff fegt Charlotte von Mahlsdorf die Scherben vor ihrem Museum zusammen und Bilder vom 10.11.1938 entstehen vor ihren Augen.
Wieder! Scherben! Wieder! Gewalt! Reichskristallnacht!
Charlotte wurde 1928 in Mahlsdorf als Lothar Berfelde geboren. Sie gehörte dem märkischen Uradel an. Die Mutter, stets seine gute Fee in seinem Leben, akzeptiert warmherzig sein Anderssein. Ebenso der Großonkel Josef Brauner.
Der Vater, eine Reitpeitschennatur, schlägt und demütigt die Familie.
Charlotte von Mahlsdorf – erschlägt den Vater um die Mutter zu schützen, sitzt dafür im Gefängnis und der Psychiatrie. Kommt durch die politischen Wirren aber frei.
Im eigentlichen Sinn war sie nie politisch.
Sie sammelte alten Kram und putzte gern. Sie liebte schöne Dinge und bewahrte sie vor der Zerstörung oder vor der Aneignung der Nazibonzen bzw. der seelenlosen Geldschneider des Schalck-Golodkowski Devisenverschiebe-Imperiums.
Ein „Comming Out“ hat sie nie gebraucht. Sie stand von Anfang zu sich selbst. Sie war eine Frau in einem Männerkörper, ein männlicher Transvestit. Punkt!
Sexualität lässt sich ja nicht unterdrücken. Warum sollte man auch? Seite 105
Und sie fand sich schön. War nie grell sondern stets züchtig und äußert sauber. Ein Putzteufel würde man heute sagen. Sie sah sich in der Rolle des Dienstmädchens um 1900. Und diese Rolle füllte sie mit feinem Gespür aus.
Selbstlos zeigte sie den Menschen die Schönheit und Kunstfertigkeit der Epoche der Gründerzeit, die sie so liebte. Für sich selbst forderte sie nichts.
In ihrer Autobiografie stellt sie sich zutiefst menschlich und immer an der Seite der Schwachen und Ausgegrenzten dar.
Dieses Bild hält leider der Wirklichkeit im Nachhinein nicht stand. Von 1971 bis 1975 war sie als IM „Park“ bei der Stasi.
Das „Lottchen“ ein Verräter, dieses unschöne Detail liest man nicht in ihrer autobiografischen Nabelschau.
Sicher verbrämt sie ihr Leben in ihrer Autobiografie etwas zu gülden und doch hat sie meine volle Bewunderung verdient. Ihr Menschsein leuchtet aus jeder Zeile dieses Buches und Fehler, auch solche, fußen auf Entscheidungen, die Außenstehende nur bemessen können, wenn sie alle Fakten kennen..
Charlotte von Mahlsdorf zog nach dem neofaschistischen Angriff 1995 nach Schweden, starb aber 2002 in Berlin während eines Besuches.
Rosa von Praunheim drehte 1992 parallel zum Buch einen gleichnamigen Film.
Ich danke dem Jaron Verlag für die Neuauflage dieses Buches und damit der Herausgabe eines ungemein spannenden Zeitzeugnisses über einen Menschen der den Mut hatte öffentlich als Transfrau aufzutreten und die Verfolgung Homosexueller im Dritten Reich und in der DDR zu thematisieren.
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