„und eigentlich ist eigentlich ein Scheißwort“
Die Autorin Caroline Wahl sitzt vor mir. Meine erste Begegnung habe ich mit ihr auf der Leipziger Buchmesse.
Schnurgerader Pony über einem Puppengesicht mit leicht geröteten Pausbäckchen. Zierliche fast mädchenhafte Gestalt. Sie strahlt Zurückhaltung aus und überrascht dann mit klaren Ansagen.
Und mit diesem Bild vor Augen lese ich ihren Debütroman „22 Bahnen“.
Die Sprache, großartig, sie lebt durch direkte Rede und Wiederholungen, die das Gesagt-Gedachte intensiver machen. Jugendsprache gekennzeichnet durch Anglizismen die den Sprachgebrauch dieser Generation durchwirken.
Worum geht es? Es geht um Tilda. Das Leben hat Tilda schlechte Karten ausgeteilt. Sie ist ein Trennungskind, mit einer alkoholkranken Mutter und einer kleinen Schwester für die sie Mutterersatz ist. Da bleibt kein Latz für eigene Träume.
Aber ein Ass ist im Spiel. Tilda hat einen klugen Kopf, liebt Mathe und studiert im Master.
Sie bekommt die Chance auf ein Full House, eine PhD-Stelle in Berlin. Nur spielen muss sie, zusagen muss sie. Geht das in diesem festgeklemmten Leben, das noch nicht einmal ihr eigenes Leben ist, dass ein gelebtes Leben ist zwischen Pflicht und Sorge?
Tilda schwimmt. Schwimmt sich frei 23 Bahnen lang im hiesigen Schwimmbad. Sie sitzt auf dem Grund des Schwimmbeckens, schaut auf die zappelnden Beine. Ein Perspektivwechsel, eine kleine Flucht/Zuflucht.
Dann hockt Viktor auf einem Startblock im Schwimmbad neben ihr. Immer 22 Bahnen zieht der Junge mit den eisblauen Augen. Irgendwie zornig ist er, verschlossen. Auch er vom Schicksal stigmatisiert. Ein Krieger mit tiefen Wunden und wehem Herzen.
Ich bin noch immer überwältigt von dem Buch. In ihm wohnt keine junge Frau. Hier schreibt eine alte Seele.