„Morgen denke ich mit, sagte Charlotte… S.79
Caroline Wahls dritter Roman hat, bevor man auch nur die erste Seite aufschlägt, bereits für gehörige Unruhe gesorgt. Von den Medien befeuert, von der Autorin selbst keck in Szene gesetzt, von Rezensionen unterschiedlichster Couleur flankiert. Es stand, wie kaum ein literarisches Werk der Saison, im Scheinwerferlicht.
Zum Inhalt lässt sich der Roman knapp zusammenfassen.
Charlotte, eine junge Frau, die eigentlich Musik machen will, fügt sich etwas unsicher dem Willen der Eltern und strebt eine Karriere im Verlagswesen an.
Dort begegnet sie Ugo Maise, dem Eigentümer des Verlages. Maise ist ein Patriarch alter Schule, ein narzisstischer Machtmensch, der sich seine Welt nach Gutdünken zurechtbiegt.
Zwischen beiden entspinnt sich ein bizarres, zerstörerisches Verhältnis. Nicht abnehmende To-do-Listen, Kaffeeholerei, Champagner in der Tasse, vorgewärmtes Essen … und so weiter und so fort. „Zu heiß, zu kalt, zu langsam, zu schnell“. Die Assistentin Charlotte gerät in eine permanente Spirale der Verunsicherung , ausgesetzt verbalen Attacken, subtiler Herabsetzung und einer toxischen Dynamik zwischen Zuckerbrot und Peitsche, die bald die Grenzen einer Arbeitsbeziehung sprengt.
Die Figur der Assistentin wird so zum Seismographen, der jede Laune des Verlegers registriert, bis zur Selbstaufgabe. Zwischen Hass und Anziehung, Unterwerfung und Widerstand entfaltet sich ein Kammerspiel, das im Grunde ein Zwei-Personen-Stück bleibt. Die Nebenfiguren treten schemenhaft auf, als bloße Kulisse für das psychologische Duell zwischen Charlotte und Ugo. Einzig die Eltern stellen einen echten Widerpart.
Erzählerisch wagt Wahl einen neuen Zugriff. Ein auktorialer Erzähler führt durch die Handlung, kennt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, nimmt vorweg, deutet an und verspricht. Dieses Stilmittel unterscheidet „Die Assistentin“ deutlich von den Vorgängerwerken. Doch birgt es auch die Gefahr des „Hinhaltens“.
Ankündigungen, die sich im „Dazu später“ erschöpfen, laufen Gefahr, mehr zu vertrösten als Spannung zu erzeugen. Gelungen ist es dort, wo die Prolepse tatsächlich eingelöst wird und dem Lesefluss zusätzliche Energie verleiht.
Sprachlich bleibt Wahl sich treu: jung, schnoddrig aber weniger wütend als in den früheren Romanen. Dafür aber immer noch geprägt von einem Ton, der Nähe sucht und zugleich Distanz wahrt.
Die Assistentin ist kein großer Wurf von Buchpreisdimensionen, aber ein lesenswerter, gelungener Roman. Wahl zeigt eine klare Weiterentwicklung gegenüber dem Vorgänger. Zu bemerken in mehr psychologischer Schärfe und mehr formaler Ambition. Dass noch Luft nach oben bleibt, macht neugierig auf das, was kommen mag.



[…] „Dieser Band ist keine späte Gedenkplatte, sondern ein Monsterbrillant aus dem Tiefsee‐Schatz der deutschsprachigen Literatur: 15 Geschichten, die zeigen,…