„Der Liebende“ von Martin Ehrenhauser

„Der Liebende“ von Martin Ehrenhauser

„Menschen, die sich über die Lebenslust anderer ärgern, sollte man nicht zu ernst nehmen“.

Hast du schon einmal auf einer Bank in der Sonne gesessen und dem Gras beim Wachsen zugesehen? Dann ist der Roman „Der Liebende“ wie für dich gemacht.

Wie auf einer sanften Woge habe ich mich durch das Buch tragen lassen.

Nach einem samtig-virtuosen Einstieg lernen wir den Protagonisten Monsieur Haslinger kennen. Er ist ein Pfarrer im Ruhestand, der ein eingefahrenes, ruhiges Leben in seiner Einzimmerwohnung in Brüssel führt. Seine bescheidene Lebensweise erfüllt ihn mit tiefer Zufriedenheit. Er scheint mit sich, Gott und der Welt im Reinen zu sein.

Eines Abends, angelockt durch lautes Lachen und Musik, schaut er von seinem Balkon auf die Terrasse seiner neu eingezogenen Nachbarin. Da steht eine Frau in einem leuchtend bunten Kleid und ihre überschäumende Lebenslust schwappt zu ihm hinauf.

Schon bei dieser ersten Begegnung mit der Nachbarin, Madame Janssen, fühlt sich Monsieur Haslinger zu ihr hingezogen. Für ihn ist sie schön, voller Kraft, selbstbestimmt und etwas keck.

Der erste Schritt der beiden zueinander beginnt mit einer Entschuldigung. Sie meint, das laute nächtliche Treiben könnte ihn verärgert haben.

Daraufhin antwortet Monsieur Haslinger: „Menschen, die sich über die Lebenslust anderer ärgern, sollte man nicht zu ernst nehmen“.

Poetisch und leise entwickelt sich eine Beziehung zwischen beiden. Der Autor benutzt Worte, die wie eine Feder die Seele kitzeln. Er lässt sich Zeit, lässt mir Zeit, den beiden näher zu kommen. Die Geschichte ist wie eine Blume, ich sehe, wie sie sich knospend zur Sonne reckt und erblüht.

Bemerkenswert finde ich die Idee des Autors, die Personen als Madame und Monsieur zu bezeichnen. So bleiben sie dem Leser gegenüber immer ein wenig auf Abstand und nehmen ihren eigenen Raum ein, ohne eine profane Vereinnahmung zu riskieren.

Ein anrührender Roman über eine späte, tiefe Liebe.

🐸 Mehr Rezensionen: ,
Es sind keine Kommentare vorhanden.